Ödipus Rex

Es war im Jahre 1906, als die kleine Gruppe der Getreuen Freud zu seinem fünfzigsten Geburtstag eine Medaille schenkte, die auf der Vorderseite des Meisters Profil im Basrelief und auf der Rückseite eine griechische Zeichnung des Königs Ödipus vor der Sphinx zeigt. Umrahmt ist die Zeichnung von einem Vers aus "König Ödipus" von Sophokles:

Der das berühmte Rätsel löste
und ein gar mächtiger Mann war.

Bei der Überreichung dieser Medaille ereignete sich ein merkwürdiger Zwischenfall. Als Freud die Inschrift las, wurde er blaß, unruhig und fragte mit erstickter Stimme, wer diese Idee gehabt habe. Er benahm sich wie ein Mensch, dem ein Geist erschienen ist.

Als Federn ihm gesagt hatte, dies sei seine Idee gewesen, berichtete Freud: Als junger Student habe er unter den Arkaden der Wiener Universität die Büsten früherer, berühmter Professoren betrachtet. Damals habe er sich in der Phantasie ausgemalt, daß dort seine künftige Büste stände und darunter gerade diese Worte aus dem Ödipus des Sophokles graviert seien, die er jetzt auf der Medaille vor sich sehe.

Am 4. Februar 1955 fand unter den Arkaden der Wiener Universität die feierliche Enthüllung der Büste Freuds - von dem Bildhauer Königsberger 1921 geschaffen - statt. Auf ihrem Sockel ist die Zeile aus dem "König Ödipus" von Sophokles eingraviert.

Quelle: Federmann, R. und Schreiber, H., Botschaft aus dem Jenseits, Tübingen 1968, S. 327 f.