Die Bärenmühle

Diese an der Wien in der Nähe der Stadt beim Naschmarkt gelegene Mühle soll von der nachfolgenden Begebenheit ihren Namen bekommen haben. Eines späten Abends tauchte dort ein Ungetüm von einem schwarzen Bären auf und fiel den gerade vor seiner Mühle weilenden Müller an. Dieser war ein kräftiger Mann, der sich gegen seinen zottigen Gegner zur Wehr setzte, aber von demselben bald zu Boden geworfen wurde. Das Hilfegeschrei des Müllers hatte ein Knecht gehört, der sich gerade über dem Kampfplatz im ersten Stockwerk der Mühle befand und sofort erkannte, daß hier Hilfe höchst an der Zeit wäre, sonst wäre der Meister verloren. Ohne sich zu besinnen, sprang der verwegene Geselle zum Fenster hinaus, und zwar so, daß er auf dem Bären wie auf einem Pferde zu reiten kam. Sogleich schlang der Knecht seinen rechten Arm um den Hals des Bären und schnürte ihm denselben zu, so daß der Bär den Müller losließ, um sich des unangenehmen Halsbandes zu entledigen. Auf diese Art wurde es dem Müller leicht, sich freizumachen und mit Hilfe herbeigeeilter Leute Meister Petz die Kehle ganz zusammenzupressen. Der Müllerbursche erbat sich zur Belohnung die Bärenhaut und ließ sich daraus einen Pelz machen, den er durch die ganze Zeit seines Lebens trug, wovon er den Namen des Bärenhäuters erhielt. Der Müller aber ließ den Bären abmalen und das Gemälde über den Eingang der Mühle hängen, wodurch diese ihren Namen erhielt.

Quelle: Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, herausgegeben von Gustav Gugitz, Wien 1952, Nr. 105, S. 118
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Anja Christina Hautzinger, April 2005.