Die Mainzer Bäckersfrau

Als König Rudolf von Habsburg in Mainz war, kam einst am frühen Morgen ein starker Frost, und die Kälte belästigte ihn über die Maßen. Seinem Hause gegenüber aber lag eine Bäckerei, die Überfluß an brennenden Kohlen hatte. Der König zog sich nur sein Unterkleid an und lief schnell hinüber. Die Bäckersfrau aber, die ihn nicht erkannte, fuhr ihn mit heftigen Worten an und sagte, es wäre nicht recht, daß die Ritter bei armen Weibern einkehrten. Rudolf aber meinte demütig zu dem Weibe: "Liebe Frau, laßt Euch durch meine Anwesenheit nicht stören; ich bin ein alter Soldat, der all sein Gut im Dienste des erbärmlichen Königs Rudolf angewandt hat. Allen guten Versprechungen zum Trotz läßt er mich nun darben!" Das Weib erwiderte: "So folgt ihr also dem König Rudolf, dem erbärmlichen blinden, alten Manne, dem Sohne eines gemeinen Weibes, der das ganze Land verwüstet und alle Armen verschlungen hat? Euch treffen diese und andere Übel mit Recht!" Der König meinte: "Was hat er Euch denn Übles getan?" Sie antwortete mit großer Bitterkeit und tadelte und schmähte den König auf das schimpflichste: "Ich und alle Bäcker in der Stadt, mit Ausnahme von zweien, sind durch ihn verarmt, daß wir in unseren Tagen nicht mehr zu dem früheren Wohlstand gelangen können." Und ganz ärgerlich fuhr das Weib ihn an: "Macht Euch fort von hier, Ihr stört uns in unseren Geschäften!" Der König jedoch weigerte sich, zu gehen. Doch da wurde das Weib unwillig, nahm ein Gefäß mit kaltem Wasser, übergoß damit die Kohlen und den König, der sich alsbald fortmachte und sich schleunigst in seine Wohnung begab. Als der König später bei Tische saß, setzte ihm der Truchseß einen Schweinskopf vor. Da gedachte der König der Wohltaten, die ihm die Bäckerin erwiesen hatte, und wünschte, ihr seinen Dank abzustatten. Er ließ deswegen seine Wirtin rufen und sprach zu ihr: "Nimm diese Schüssel mit Fleisch, dazu ein Viertel Wein und bringe es deiner Nachbarin im Namen des alten Soldaten, der sich bedanken läßt, weil er sich heute morgen bei ihren Kohlen erwärmt hat!" Dann erzählte der König, wie ihn die Bäckerin geschimpft und verwünscht hätte und erregte dadurch große Heiterkeit. Als die Bäckerin aber hörte, daß es der König gewesen wäre, den sie so geschmäht hatte, wurde sie über die Maßen bestürzt, kam zu ihm und bat flehentlich, ihr die Schmach zu vergeben, die sie ihm angetan hätte. Der König aber wollte ihr nicht anders vergeben, als wenn sie die Schmähungen, die sie ihm gesagt hatte, jetzt öffentlich vor allen Herren wiederholte. Das tat denn die Frau auch, erfüllte den Willen des Königs und brachte auf diese Weise viele zum Lachen.

Quelle: Wattenbach, Wilhelm (Hg.), Die Geschichte Friedrichs III. und Maximilians I. von Joseph Grünpeck, Leipzig 1899