Die Wette

Als Friedrich der Schöne in der Schlacht bei Mühldorf gefangen genommen worden war, zog sich Ludwig aus Furcht vor dem Heere Leopolds von Österreich zurück (dessen Ankunft Friedrich nicht abgewartet hatte). Dieser aber wagte keinen Angriff, weil er betrübt war, daß der römische Gegenkönig nur gefangen und nicht getötet worden war.

In München hatte ein gewisser Martin, ein frommer und bescheidener Mann, ein späterer Priester, dem König Ludwig die Gefangennahmne Friedrichs und das Unglück der Schlacht schon ein halbes Jahr vorher geweissagt. Martin hatte gesagt, ehe noch der Michaelistag zu Ende ginge, würde Friedrich gefangen sein; er hatte seinen Hof im Werte von hundert Mark einem Münchener, der auf das Gegenteil wettete, gegen eine bestimmte Summe Geldes dafür verwettet. Am Michaelistage kam dieser und nahm Martins Hof in Empfang, doch Martin versicherte fortwährend: "Ihr werdet das Gegenteil hören!" Der Hof wurde durch richterlichen Spruch von seinem Gegner in Besitz genommen, später aber, als man die Wahrheit erfuhr, wieder zurückgegeben. Das gewonnene Geld aber wollte Martin nicht annehmen.

Quelle: Werhan, Karl, Die deutschen Sagen des Mittelalters, 2 Bde., München 1920, S. 153 f.