Das Blutzeichen

Das unglücklichste Jahr Österreichs war das Jahr 1683 wegen des verheerenden Türkeneinfalls. Die Stadt Hainburg hatte sich heldenmütig verteidigt, mußte aber der stürmenden Übermacht der Türken unterliegen.

Fischertor, Hainburg

Fischertor, Hainburg
© Dr. Peter Anderwald, August 2002

Sämtliche Bewohner, man sagt 8423 an der Zahl, flohen gegen das Fischertor, in der Hoffnung, durch selbes sich retten zu können. Allein auch hier drangen die Barbaren ein, und ermordeten die zusammengedrängte ganze Volksmasse bis auf fünf Personen.

Fischertor, Hainburg, Gedenktafel

Fischertor, Hainburg
"Jüngstes der drei Stadttore, im späten 13. Jhdt. errichtet."
"Dem Andenken der am 12. Juli 1683 nach Erstürmung der Stadt
von den Türken niedergemetzelten Einwohner Hainburgs.
Errichtet anlässlich der Feier des 1000 jährigen Bestandes der Stadt Hainburg 1894."
© Dr. Peter Anderwald, August 2002

Noch ist an einer Mauer das Denkzeichen zu sehen, wie hoch das Blut dieser Schlachtopfer angeschwollen war. Man nennt es das Blutzeichen zu Hainburg.

Blutgasse, Hainburg

Blutgasse, Hainburg
© Dr. Peter Anderwald, August 2002

Quelle: Realis (= Gerhard Cockelberghe-Duetzele), Geschichten, Sagen und Merkwürdigkeiten aus Wiens Vorzeit, Wien 1846, S. 525

Kommentar: "BLUTGASSE" UND FISCHERTOR:

Das Fischertor ist das kleinste Hainburger Stadttor. Es dürfte aus dem späten 13. Jahrhundert stammen und war die Verbindung zur Donauufersiedlung außerhalb der Stadtmauer.

Die "Blutgasse" hieß ursprünglich "Fleischergäßl", weil in alter Zeit hier traditionell die Hainburger Fleischhauer ihre Häuser hatten - vermutlich auch deshalb, weil das Schlachtblut durch diese Gasse so praktisch zur Donau hin abfließen konnte (noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es Beanstandungen gegen einen Fleischhauer wegen dieser Praxis!). Das dürfte der Gasse schon früh den volkstümlichen Namen "Blutgasse" eingetragen haben.

Dazu kam später die Erinnerung an ein schreckliches Massaker, das im 17. Jahrhundert in diesem Bereich geschah. Während der 2. Türkenbelagerung im Jahre 1683 wurde Hainburg von der Vorhut des türkischen Heeres belagert. In jener Zeit hatte Hainburg ca. 4000 Einwohner, außerdem befanden sich etwa ebensoviele Flüchtlinge aus der Umgebung in der Stadt. Am Abend des zweiten Belagerungstages, 11. Juli 1683, gelang es einem kleinen Trupp der Türken, im Süden vom Burgberg her in die Stadt einzudringen und das Stadttor zu öffnen. In der Stadt brach daraufhin eine Panik aus, die Menschen flüchteten in die einzig Rettung verheißende Richtung, nämlich hinunter zur Donau. Die Au jenseits der Donau (jetzt Nationalpark) war ein altes Fluchtgebiet der Hainburger, das man vom Fischertor aus u.U. mit Booten erreichen konnte.

Somit stürzten sich Tausende Menschen gleichzeitig in die schmale Gasse zum Fischertor. Das Tor unten war aber nach innen zu öffnen, was durch die hinunterdrängenden Menschen nicht mehr (vollständig) möglich war. Einigen ist vermutlich noch die Flucht durchs Tor gelungen, ehe es durch die Leiber der Nachstürmenden vollständig blockiert war. Die Mehrheit der Flüchtenden war aber in der Todesfälle beim Fischertor gefangen. Wer nicht schon vorher in der engen Gasse zerquetscht oder niedergetrampelt wurde, fiel den Schwertern der nachkommenden Türken zum Opfer. An dieses Massaker erinnert eine Gedenktafel beim Fischertor; auch die kleine Kapelle außerhalb des Tores wurde 1780 zur Erinnerung an die Opfer des Türkensturmes errichtet. (Noch Jahre nach diesem Ereignis legte ein Torwächter des Fischertores sein Amt zurück, weil "es dort umginge" - also aus Angst vor den Geistern dieser vielen Toten.) Von den ca. 8.000 Menschen in Hainburg überstanden nur etwa an die 100 den Türkeneinfall lebend. Nach alter Überlieferung überlebten 7 davon innerhalb der Stadt, indem sie sich in einem großen Selchkamin versteckten.

Der wirtschaftliche Schaden dieses Krieges war gar nicht zu beziffern. Die ganze Stadt lag in Schutt und Asche, Handel und Gewerbe mußten erst wieder neu aufgebaut werden. Auch das Stadtarchiv mit fast allen Unterlagen aus der Zeit vor 1683 verbrannte am 12. Juli 1683.

Tatsache ist weiters, daß nach dem Türkeneinfall eindeutig mehr als 7 überlebende Hainburger nachzuweisen sind. Diese Überlieferung wurzelt in einem Bettelbrief des Rates der Stadt Hainburg, in dem die Regierung um Steuerbefreiung aufgrund der Kriegsschäden gebeten wird – dementsprechend wird die Situation besonders krass beschrieben. Sicher aber ist einigen noch die Flucht über die Donau gelungen, einige haben sich vielleicht schon vorher in den Wäldern versteckt. (Der Großvater Joseph Haydns, Thomas Hayden, zählte zu den Überlebenden: er war als Wagnermeister vielleicht zu diesem Zeitpunkt auswärts unterwegs und gar nicht in Hainburg). Bei 100 Überlebenden von 8.000 bleibt jedoch die Bilanz dieses Krieges schrecklich genug.

Quelle: Handout für Führer durch Hainburg, Fremdernverkehrsverein Hainburg. Mit freundlicher Genehmigung von Martin Hanus, Stadtgemeinde Hainburg a.d. Donau, 31. Juli 2006.