Der Winddämon

Die gemeinen Weiber erzählten in Wien eine seltsame Geschichte, die sich zu Gumpendorf zugetragen haben soll. Eines Tages erhob sich ein Sturmwind. Die Wäscherin vom Hause befahl den Kindern, dem Wind Essen zu geben. Die Nachbarin, die zugegen war, sagte: "Ja, speisen! Ich wollte den Hund lieber erstechen!" und warf ein Messer in den Hof. Sie wurde gewarnt, das sollte sie ja nicht tun, sie könnte ein Unglück haben. Sie kommt in ihre Wohnung. Ein großer Mann tritt bei der Tür in die Stube. Das Weib erschrickt, erinnert sich gleich der begangenen Freveltat, glaubt auch sicherlich, ihr letztes Stündlein sei gekommen. In der Verlegenheit gibt sie dem Manne gute Worte, heißt ihn niedersetzen und fragt, was er zu befehlen habe. Der Mann gibt zur Antwort: "Das hat ihr geglückt, daß sie mir so höflich begegnet ist. Ich bin der Wind, ich hätte sie sonst zu kleinen Stücken zerrissen!"

Quelle: Gugitz, Gustav, Die Sagen und Legenden der Stadt Wien, Wien 1952, S. 6 f.