Das Nachtvolk im Murnertobel

Einmal sollte ein Schrunser Bauer in der Früh im Gargellental sein. Deshalb legte er sich am Vorabend zeitig ins Bett und schläft ein. Nachts erwacht er auf einmal, und da war es draußen ganz hell, so daß er nichts anderes gemeint hat, als daß er sich verschlafen habe, und er sehr rasch aufgestanden ist, die Kleidung angezogen hat und in guter christlicher Meinung sich auf den Weg gemacht hat. Aber der Bauer hatte sich nicht verschlafen, denn die Helligkeit war nur die Helle von einem Mondschein, und es mag erst etwas nach Mitternacht gewesen sein. Als der Bauer zum Murnertobel (Maurentobel) kam, setzte er sich auf eine Steinplatte, um ein wenig auszuruhen; „Nachdem es erst zwölf Uhr vorbei ist, komme ich noch früh genug nach Gar gellen und ich darf mich schon ein -wenig hier verweilen.“ Er zieht dann eine Maultrommel aus der Brusttuchtasche und fängt zum Zeitvertreib zierlich zu trommeln an. Und wie der Bauer auf der Steinplatte am Murnertobel lustig in die mondhelle Nacht hinaus trommelt, kommt es auf einmal ganz schwarz vor Leuten das Tobel herunter, und einer aus dem Haufen kommt auf den einsamen Maultrommler zu und sagt zu ihm: „Wenn du willst, so werde ich dich noch lieblicher und lustiger trommeln lehren; ja, ich werde dich trommeln lehren, daß die Tannenzapfen auf den Tannen rings um und um zu tanzen anfangen.“ „Ja, freilich will ich“, sagte der Bauer. Und wie nun der Fremde meinen Bauern besser trommeln lehren will, kommt aus dem schwarzen Haufen ein Weibsbild hervor, zieht den fremden Lehrer am Arm: „Komm! Mit diesem Bauern läßt sich nichts anfangen, der hat heute schon das Weihwasser genommen.“ Daraufhin ist die schwarze Bande durch das Tobel weitergezogen.

Quelle: Frommann, 1859, S. 255, zit. nach Sagen aus Vorarlberg, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 216