Die Bodenlose

In dem moorigen Gelände zwischen Götzis und Altach, links von der Bahnlinie, wiederum auf Götzner Gemeindegebiet, ist die sogenannte Bodenlose, eine hervorragend gute, ergiebige Quelle, deren Fassung zur Wasserversorgung der rasch anwachsenden Gemeinde Altach wiederholt in Erwägung gezogen wurde. Schon die ungewöhnliche Tiefe der Wasserader, die auch zur Zeit sommerlicher Dürre in gleicher Stärke fließt, wirkte anregend auf die Phantasie des Volkes. Man erzählt, wie einst ein Vorwitziger habe das Lot hinabsenken und die Tiefe ergründen wollen, wie er aber, anstatt auf den Grund zu kommen, eine Stimme heraufrufen hörte: „Ergründst du mich, verschluck' ich dich!“

Die Entstehung der Untiefe selbst erklärt das Volk sich so: Es sei in alter Zeit daselbst ein Haus gestanden, darin gottlose Menschen gewohnt hätten. Als einmal der Priester mit dem höchsten Gut vorbeiging, hätten sie, anstatt ihm Reverenz zu erweisen, sich erfrecht, das Sakrament durch schamlose Tänze zu verhöhnen. Der ruchlosen Tat sei die Strafe auf dem Fuß gefolgt, indem das Haus samt seinen schlimmen Inwohnern in den Grund versank.

Quelle: J. Gasser, Aus dem Sagenschatz der Heimat, in: Heimat 6 (1925), S. 155 (gekürzt), zit. nach Sagen aus Vorarlberg, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 88f