Der Klushund im Oberland

Im Oberland wandert der Klushund selten die neue, breite Heerstraße in der Rheinebene, er läuft meist [an] dem Bergrand entlang durch die Dörfer und nimmt dort mit Vorliebe die Jahrhunderte alten Wege, wo er seinen ersten Gang machen mußte.

So trifft man ihn oft ums Zunachten im Klauserwald bei St. Arbogast als mannshohen, schwarzen Zottelhund im schüttern Gehölz. Er zieht den Spuren der längst überwucherten alten Straße nach, von der man nur hin und wieder im felsigen Boden vom Fahren in früherer Zeit halbverwischte Geleise sieht.

Bei der Klauser Kirche kommt er dann herauf und streicht oben am Rietle vorbei. In Weiler läuft er niemals über die Dorfstraße bei der Kirche, wo vor hundert Jahren nur ein grasbewachsener Feldweg war, sondern wendet sich auf dem alten, wenig begangenen Weg, der Totengasse, Röthis zu.

Dort hat ihn bei den Wingeten der Abts- und Kirchhalde erst vor kurzem ein Röthner Bursche gesehen, der nachts aus der Gesangsprobe heimging. Aus den Reben herunter sprang ein Hund, so groß wie ein Kalb und richtete sich wild und drohend vor ihm auf mit erhobenen Pratzen. Auf seinen Hilferuf eilten ein paar Kameraden herbei, die weiter unten ihren Heimweg hatten. Urplötzlich verschwand nun das Untier, die Vorderfüße noch in der Luft. Der sonst beherzte Bursche aber stand leichenblaß; er schlotterte vor Schreck. Einige Tage lang lag er krank.

Der Schwarze See, Satteins © Berit Mrugalska
Der Schwarze See, Satteins
hier soll der Klushund Rast gemacht und getrunken haben (mündl. Mitteilung O. M.)
Berit Mrugalska, 17. Okotber 2005

Weiter nimmt der Klushund seinen Weg von Rankweil dem schwarzen See zu nach Satteins durch den Valduna-Wald. Als dort einst in mondheller Winternacht der Hans-Uri mit seinen Rossen fuhr, waren mit einem Male die willigen vertrauten Tiere nicht mehr weiter zu bringen, es war wie verwunschen. Deshalb hieb er mit dem Geiselstock zweimal kreuzweise über das Gespann. Da plötzlich raschelte [etwas] Schwarzes durch den Wald hinab, und es rauschte ungeheuer. Die Rosse aber zogen wieder fürbaß.

Aber auch durch Feldkirch geht der Klushund dem Innerland zu. Noch vor ein paar Jahren sprang er einer Frau, die nachts von Altenstadt heimging, auf den Rücken, und sie konnte ihn nicht los werden. Erst dort, wo beim Kapuzinerkirchlein das rote Kreuz über die Mauer ragt, schwand seine Macht und er mußte zurückbleiben. Das zu Tode erschöpfte Weib aber hatte noch lange von der Last dieses bösen Geistes zu spüren.

Vor Geweihtem und Heiligen wird die Gewalt des Klushunds überhaupt zunichte. Einst gingen zwei Tisner Burschen in windstiller Nacht von Frastanz her durch die Felsenau. Da begann es auf der linken Wegseite im Wald fürchterlich zu rascheln. „In Gottes Namen was ist das?“ stieß der eine aus. Dem ändern, der den Himmel nicht anrief, ward im Augenblick die linke Gesichtshälfte hoch aufgeschwollen, und so sah man ihn noch lange hernach, denn ihn hatte der Klushund anblasen können.

Quelle: Anna Hensler und H. H. Watzenegger, Vorarlbergische Landeszeitung 1925, Nr. 42 vom 20.2.1925, S. 118, zit. nach Sagen aus Vorarlberg, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 222ff