KAMOR

Vom Säntis im Appenzellerland streckt sich ein hoher Zweig gegen das Rheintal vor, den die alten Leute in Lustenau den Kummerberg nennen. Mandie geben dem ganzen Säntisstock, der lange Zeit von Schnee bedeckt ist, den gleichen Namen. In anderer Gestalt erscheint der Name auch in dieser Sage: Christus, unser Herr, kam einmal als Pilger im Kleide eines alten Bettelmännleins auf den Berg Kamor. Zu der Zeit aber war der Berg noch schön grün und bewohnt. Der Herr kam dorthin, um die Menschen und ihre Frömmigkeit zu prüfen. Er ging von Haus zu Haus, nirgends bekam er eine Gabe. Zuletzt kam er in das Haus eines alten Ehepaares, das ihm statt Schmalz Kuhdreck in sein hingehaltenes Kübelein warf. Zur Strafe für diesen Spott verwünschte der Herr die ganze Alp, und auf einmal war sie samt Vieh und Menschen tief mit Schnee bedeckt. Andere erzählen, Christus habe nur in einem Hause, dem letzten, eine Gabe erhalten. Es waren dort zwei alte Leute, Mann und Weib, selber recht arm, aber sie gaben ihm doch etwas von ihrem Wenigen. Dafür ist denn auch das Paar gerettet worden beim allgemeinen Untergang,. Selbst die Stelle, auf der ihr Häuschen stand, bleibt bis zum heutigen Tage ohne Schnee.


Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 60, Seite 80