DAS TRÄNENBÄCHLE

Unter der Santantöner Alma im Montavon liegt die gottlose Stadt Prazalanz begraben. Gegen Nordosten ist die überwachsene Schutthalde abgeschlossen durch eine schroffe, steil abfallende Gipswand, der ein Bächlein entströmt, das über die Alma der Ill zurinnt und jahraus, jahrein trübe geht. An der Quelle des Bächleins nämlich geistet seit undenklicher Zeit eine Jungfrau, die einen kostbaren Schatz hütet und schmerzlich der Erlösung harrt. Um die Jungfrau zu erlösen und den Schatz zu heben, muß man eine ungeheure, grausenhafte Kröte, die auf dem Deckel der Schatzkiste sitzt, dreimal auf den Mund küssen. Diesen Mut brachte aber bisher noch keiner auf, und die Jungfrau, an ihrer Erlösung verzagend, weint, daß die Zähren stromweis in das Bächlein fallen. Darum geht es so trübe und heißt das Tränenbächle.

Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 156, Seite 130