DER OTTERNBANNER

Vor alten Zeiten hat es im Vergalda ungeheuer viel Ottern gehabt, und Leut und Vieh haben viel von ihnen zu leiden gehabt, und man hätte nichts lieberes gewünscht, als der Plage abzukommen. Auf einmal kommt da, ich weiß nicht was, ein fremdes unbekanntes Männle in die Alp, und wie das von denen Ottern hört, so fragt es, ob keine weiße darunter sei. Und da die Alpleute sagen, sie hätten nie ein Müsterlein von einer weißen gesehen, so sagt es: "Ja, dann will ich euch schon davonhelfen." Es macht darauf mitten auf dem Stofel ein Feuerlein und brodlet, ich weiß nicht was, einen Spruch her, und da kommt wirklich wahr, aus allen Löchern und unter allen Steinen hervor ein überpfächtiges Wesen Ottern, die schießen alle dem Feuerlein zu und verbrennen drin. Auf einmal aber hört man von der Höhe her einen lauten, gellenden Pfiff, daß es einem durch Mark und Bein geht, und der Otternbanner schreit: "Jetzt ist es aus mit mir" und im selben Augenblick hat eine weiße Schlange das fremde Männle durch und durch geschossen. Auf dem Plätzlein, wo das Feuerlein gebrannt hat, ist kein gotzigs Stieflein Gras mehr gewachsen.


Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 197, Seite 149