MAUREN

Mauren, eine Parzelle von Tschagguns im Montavon, ist jetzt eine weitausgedehnte, unwirtliche, nur teilweise überwachsene Schutthalde mit einem halben Dutzend ärmlicher Bauernhütten. Vor undenklicher Zeit war es ein prächtiggrüner Wiesenplan mit Haus und Hof und Eigentum eines einzigen Bauern. Der Bauer lebte mit seiner Hausfrau auf dem schönen Anwesen wie ein Graf. Er trieb auch erheblichen Weinhandel und zog allherbstlich mit einem mächtigen Trieb starker Saumrosse über das Schlappinerjoch ins Welschland auf Einkauf. Er war es gewöhnt, allemal bei seiner Rückkehr der Frau ein Krämlein mitzubringen. Es war wieder einmal der Herbst da und der Bauer zog gen Welschland. Da fragte er beim Abschied sein Ehegemahl, was für einen Kram er diesmal mitbringen Solle, und sie sagte: "Hunger", um einmal recht mit Appetit zu essen. Als nach Wochen der Weinhändler wiederkehrte, fand er sein herrliches Gut von einem Murbruch gänzlich zugedeckt. Während seiner Abwesenheit war hoch droben im Gweiljoch eine Rüfi losgebrochen, die verheerend niederfuhr und die ganze Mauren mit Haus und Hof, mit Wies und Weide überschüttete. Die Bäuerin rettete mit genauer Not nur das nackte Leben und war genötigt, um Gottes willen in einer Nachbarhütte sich einzutun. Da wurde ihr von den armen Leuten die Kost derart zugemessen, daß sie von einer Mahlzeit zur anderen Hunger hatte.

Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 187, Seite 144