Die Feldkircher Osterglocken

Im obern Rheintal erzählen die Bauern gern, wie dereinst, vor mehr denn hundert Jahren, der Klang der Osterglocken das Land vom Feinde befreite.

Zur Zeit der Franzosenkriege war's, anno 1799 am Charsamstag [Karsamstag]. Seit zwei Tagen griffen die wilden Kriegsvölker der Franzosen das Städtlein Feldkirch an. Der Kampf war hart und von weitum im Lande, von den Dörfern in der Rheinebene und herab vom Gebirg, aus dem Walgau und dem Montafon eilte jeglicher Mann herbei, der einen Stutzen tragen und einen Stein schleudern konnte. Selbst Weiber und Kinder halfen mit auf Schanzen und Verhauen, so groß war die Not. Schon wollten viele verzagen, als die Franzosen plötzlich abendwärts vom Angriffe abstanden und sich ins Liechtensteinische zurückzogen. Der Jubel bei den Unsrigen war groß, und alles ging von den Schanzen weg in die Kirche, um dem Herrgott für die Errettung zu danken. Frohen Mutes sangen sie die Auferstehung und der Glocken Ostergeläute erklang noch viel voller und Heller als andere Jahre zu dieser Stunde.

Der Abzug der Franzosen aber war eitel Falschheit gewesen. Sobald unsere Bauern die Schanzen verlassen hatten, kehrten die feindlichen Scharen zurück und schlichen, von der Dämmerung gedeckt, unbemerkt an die Stadt heran. Tückisch gedachten sie, sie zu überrumpeln und zu nehmen. Doch plötzlich hallte ihnen Geläute entgegen. Von Feldkirch her klang es zuerst und bald auch herab von den Bergen und herauf von den Dorfschaften am Rhein und es erbrauste immer stärker und schwang sich und scholl und schwoll und immer ward es lauter und immer dröhnender.

Da wähnten die feindlichen Soldaten, es sei Sturmruf, der neue Streiter zum Kampfe entbiete. In wildem Schrecken wandten sie sich. Kein Dräuen ihrer stolzen Generale half. Das ganze mächtige Franzosenheer floh voll Angst landaus vor der Osterglocken heiligem Feierklange.

Das ist der Sieg der Glocken von Feldkirch. Als kein Mann auf den Schanzen war, haben sie das Städtchen errettet, und noch heutigen Tages hallen sie dort beim Auferstehungsgeläute so hehr und rein, so stolz und froh und feierlich, wie sonst nirgendwo.

Quelle: Anna Hensler, in: Rund um Vorarlberger Gotteshäuser, Heimatbilder aus Geschichte, Legende, Kunst und Brauchtum, Bregenz 1936, S. 5f