DIE NÄHERIN

Um zehn Uhr in der Nacht hat eine Näherin ab der Stör von Rehmen heimwollen nach Schrecken [Schröcken]. Sie hätte gar nicht ungern den Burschen zum Gespanen gehabt in der dunklen stillen Nacht, aber bis zur Rehmer Brugg hat sich sauber gar nichts geregt. Dann hat sie ein wunderliches Pfnusen und Pfnizen gehört und hat gedacht: "Aha, jetzt kommt Chresta!" Zuerst hat sie gelacht, dann aber ist der guten Motlo das Guraschi und alles grad sauber vergangen. "Helf dir Gott!" hat es im Tummelmutsch gerufen. Jetzt einermal ist es im ringsum hell worden und glänzend und schön. Ein Männlein in einem roten Leiblein ist vor ihr gestanden und hat gesagt: Jetzt bin ich erlöst! Für das, daß ich die Armen mit Helf Gott' abgespeist habe, habe ich müssen unter der Brugg hocken und pfnizen, bis ich durch dich mit einem 'Helf Gott' erlöst worden bin."


Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 30, Seite 67