191. Woher das Zweiuhrläuten kommt

Die Schweden hatten die Burg Ems schon lange belagert und die Bewohner der Feste liefen Gefahr Hungers zu sterben. Schon war alles Vieh bis auf den letzten Ochsen geschlachtet, alles Korn bis auf den letzten Sack verzehrt und noch immer machten die Feinde keine Miene, die Belagerung aufzuheben. Da kamen sie im Schloß droben auf einen gescheiten Gedanken. Ehe sie das letzte Stück Vieh töteten, hetzten sie es auf dem Burghof hin und her, daß ein Gebrüll zu hören war, als ob noch eine ganze Herde im Schlosse wäre. Dann zogen sie dem Ochsen die Haut ab, nähten sie zusammen und füllten sie mit dem letzten Korn an. Dann legten sie noch einen Brief hinein, auf dem geschrieben stand, die Schweden könnten noch lange warten, bis sie die Burg ausgehungert hätten. Dann warfen sie die Haut über den steilen Felsen mitten ins feindliche Lager hinab. Und wirklich glaubten die Schweden, es wären auf dem Schloß noch Lebensmittel im Überfluß. Sie waren nicht gewillt, noch länger nutzlos am Schloßberg zu liegen, gaben die Belagerung auf und zogen ab. Das war um zwei Uhr nachmittags und darum läutet man noch heute um diese Glocke und jeder gute Christ nimmt den Hut vom Kopfe, sobald er sie hört, und betet das sogenannte Schwedenvaterunser Gott zum Danke, daß er uns von so schrecklichen Feinden befreite und auch als Bitte, daß er uns vor ähnlichen Schrecknissen verschonen möge.

Auf der „Wendi", einem Wiesenplatz bei Ems, wendeten die Feinde und zogen, von weiteren Vorstößen ins Oberland abstehend, wieder dem See zu. In den Feldern sind schon manchmal kleine verrostete Hufeisen gefunden worden, die von den schwedischen Rossen herstammen.


Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 191, S. 118