139. Aus der Zeit des großen Sterbens

Als einmal ein großes Sterben im Lande war, wurden von den Gemeinden eigens Personen aufgestellt, die verpflichtet waren, alle an der Pest Gestorbenen zu sammeln und zu begraben. Beim Sammeln der Toten wurden aber oft schon jene Kranken mit auf den breiten Karren geladen, von denen man glaubte, daß sie doch bald sterben würden.

Nun war auf dem Bschower die Geliebte eines dieser Leichensammler erkrankt und da der Jüngling es nicht übers Herz bringen konnte, seinen Schatz selbst auf den Friedhof zu führen, da tauschte er mit einem ändern Leichensammler der Parzelle. Als er aber zufällig im Oberdorf an einem Haus vorbeiging, sah er den Karren seines Kollegen im Wege stehen. Mitleid und Neugierde ergriffen ihn und er wollte sehen, ob nicht etwa schon sein Schatz unter den Leichen sei, die auf dem Karren lagen. Und er erkannte tatsächlich seine Geliebte, die noch am Leben war. Sie bat ihn, er möge sie doch vom Karren nehmen, und schnell trug der Mann die Jungfrau hinter einen Stall unter einen Zwetschkenbaum. Als der Kollege aus dem Hause trat, merkte er gar nicht, daß etwas von seiner Last weggenommen worden sei. Die Kranke aber genas unter der liebevollen Pflege ihres Geliebten schnell. Sie heirateten später und noch lebt in ihren Nachkommen die Erinnerung an jenes Ereignis fort.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 139, S. 94