467. Der Venser Müller

In Vens steht eine alte Mühle. Die gehörte vor vielen Jahren einem Manne, der, wie es hieß, die Macht hatte, gestohlene Sachen wieder zur Stelle zu bringen. Einmal wurde einem Nachbar Leinwand von der Bleiche gestohlen. Er wandte sich an den Müller mit der Bitte, daß er nun seine Kunst zur Geltung brächte. Der sagte: „Die Diebe werden die Leinwand schon wieder bringen, wenn sie noch nicht gar zu weit fort sind." Und er ging in die Mühle und fing an, das Mühlrad ganz langsam zu drehen. „Warum denn so langsam?" meinte der Nachbar, „laß das Rad doch schneller gehen!" — „Holla!" erwiderte der Müller, „es geht den Dieben sicher jetzt schon schnell genug!" Nach wenigen Stunden kamen zwei Männer mit der gestohlenen Leinwand auf dem Rücken ganz erschöpft und in Schweiß gebadet an.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 467, S. 259