379. Der Simmele Lenz

Der Simmele Lenz, ein alter, lediger Bub, stark wie ein Roß, war ein Allerweltsspitzbub und Spaßmacher. Die Leute hatte er zum Narren nach den Noten und Stücklein trieb er wirklich zum Kranklachen. Meistens ist es ihm dabei gut ergangen. Aber zweimal in seinem Leben ist er gräuselig angegangen, es hätte bald sein Leben gekostet, und da hörte er aber mit der Sache ganz auf. Ich will heute nur drei Stücke von ihm erzählen.

Ganz früher einmal hatten die Stäflerweiber, die Weiber der Alpe Stafel auf Faschina, sich verabredet, sie wollten im Sommer an schönen, warmen Abenden nach dem Melken im hellen Mondschein beim Alpkreuz zusammenkommen mit den Spinnrädern und dann wacker spinnen und schwätzen miteinand. Richtig ist es zu dem gekommen; man hat aber mehr geschwätzt als gesponnen. Das wurde der Lenz bald inne und dachte, den Ratschweibern will ich doch einmal Ernst machen, und ging an allen solchen Abenden zum Wasserfall hinunter, etwa 400 m von den Weibern weg, und spielte dort stundenlang jämmerlich den Alpgeist, sodaß die Weiber schon am ersten Abend den Rosenkranz und später einen ganzen Psalter für die arme Seel beteten, und das so lang, bis man dem Spitzbub draufkam. Später hütete der Lenz in der Gaferalpe das Vieh und da hatte er die Heuerleute oft in der Nacht grad so zum Narren. Da kam er oft in der Nacht über die Furgga her und sprengte durch sein Jammern und Rufen um Hilfe die müden Heuerleute bis hoch in den Berg hinauf. Derweil die Leute nach dem Unglücklichen suchten, hielt er sich versteckt und lachte gemütlich ins Fäustlein. Und das ging so lang, bis er einmal auf einem solchen Gang von einem Raubvogel angepackt wurde und mit dem Kerle auf Leben und Tod kämpfen mußte. Nur seine große Armkraft und sein Hirtenstecken retteten ihm das Leben. Er hätte nicht mehr lang ausgehalten. Dieses Erlebnis vergaß er nie mehr und besserte sich viel in der Sache.

Das drittemal ist es ihm auch nicht gut gegangen. Da ist er mit seinen zwei Geschwistern im Frühling auf Faschina hinauf, den Mäisäß anzuwerken und hatte ein gute Milchgeiß mitgenommen, um Milch zu haben zum Kochen und Trinken. Am ersten Abend gingen seine Geschwister, wie üblich, heim ins Obergericht herunter zum Obernachten. Am Morgen wollten sie wieder auf Faschina sein. Der Lenz, etwas schlecht zu Fuß, blieb bei der Geiß und machte eine traurige Nacht durch. Am Morgen früh kamen die Geschwister in die Alpstube, und was sahen sie? Der Lenz hockte am Tisch, aschenbleich, die Arme bis zum Ellenbogen auf den Tisch gespreizt und fast sprachlos vor einem großen Haufen Kohlen von verbrannten Schwefelhölzern, wie man früher viel gehabt hat und mit denen der Lenz die ganze Nacht das Licht nie hatte ausgehen lassen. Die Geiß stand auf dem Tisch, stampfte aus lauter Furcht mit den Füßen, schneuzte mit der Nase, stellte den Schwanz gradauf und war in einer gräuseligen Furcht. Das ist eine böse Nacht gewesen für beide. Auf die Frage der Schwester: „Lenz, was hast du auch gehabt?", sagte der Lenz ganz schwach: „Lisa, ich sag dirs dann vor dem Sterben." Am Abend geht der Lenz mit nach Obergericht. Er hat danach nicht mehr lang gelebt. Ob es die Lisa innegeworden ist, weiß niemand.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 379, S. 215f