335. Das Nachtvolk

In den einheimischen Familien hierorts ist die alte Überlieferung, daß die Straße ins Klostertal über Runggelin gegangen sei. Sie ging über Hinterebene bis zum Haldawässerle. Von dort zog sie durch den Wald Hinter-den-Äckern zum Pulsgäßle, dann über Platz zum obersten Hause von Runggelin, welches heute noch Gant heißt und vor altem das Zollhaus gewesen sein soll. Von Gant lenkte diese Straße ins Ladagäßle, führt über die Hinter Alma durch den Höllawald nach Hintergastats und von dort nach dem Klostertal.

Auf dieser Straße gab es vor altem viele Bütze und das Nachtvolk zog regelmäßig diesen Weg; dann hörte man eine liebliche Musik und mitunter das Weinen kleiner Kinder. Wird nämlich nach dem Ave-läuten am Abend ein Kind vom Nachtvolk auf der Straße beim Spiel erwischt, so muß dasselbe mitfahren durch die Lüfte. Auch die Hexen begleiten das Nachtvolk. Auf der Hintern Alma war noch vor zwanzig Jahren am Wege ein Stein zu sehen, welcher deutliche, tiefe Hand-und Fußspuren von einer Hexe trug, welche hier auf der wilden Fahr ausruhte. Nur ein kleiner, gelenkiger Bub konnte jene verkrüppelte Stellung annehmen, welche durch die Hand- und Fußspuren der Hexe angedeutet war. Als Büblein habe ich dieses Kunststück oft probiert.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 335, S. 194f