264. Der große künftige Krieg

In Feldkirch, aber auch rheinabwärts gehen im Volke dunkle Sagen von kommenden Tagen voll Kriegsnot, und schon vor mehr denn einem Jahrhundert, zur Zeit der Franzosenkämpfe, konnte man es als alte Prophezeiung hören: „Der Ruß tränkt's Roß im Bodensee." Ihre wilden Horden rasen auf kleinen Rossen erobernd über weite Länder. Die Johanniterkirche in Feldkirch wird in einen Pferdestall verwandelt; aus den Betstühlen machen die Russen Barne. Wer diese Zeit überlebt, muß einen eisernen Kopf haben. Nach dem Kriege ist die Gegend so entvölkert, daß wo immer in der trostlosen menschenleeren Öde zwei Männer einander begegnen, sie sich vor Freude die Hand schütteln.

Der Chronist Bitschnau schreibt 1805: „Was eine alte, hundertmal wiederholte und nie erfüllte Sage schon lange ankündigte, das wurde gegen Ende des Jahres 1798 zur Wahrheit, als die russischen Truppen einmarschierten." Ihre Rosse waren so klein, daß die Reiter mit den Füßen fast den Boden streiften. Sie jagten quer über die Kornfelder, sie holten die unreifen Trauben, sie aßen auf den Äckern den Türken, bevor er im Barte war, so daß ihnen der milchige Saft auf beiden Seiten am Mund herabtroff, weshalb das Volk bald sagte: „Lieber die Franzosen als Feind, als die Russen als Freund." Manche trösteten sich damit, nun sei die Prophezeiung friedlich in Erfüllung gegangen. Der alte Wagner aber, der in der Birken am Kobel auf einschichtem Hofe aufgewachsen war und sich in solchen Dingen gut auskannte, schüttelte dann stets den Kopf, sie kämen schon noch ein zweites Mal.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 264, S. 154