10. In die Irre geführt

Ein bekannter Hexenplatz ist jener auf dem Thalbachberg ob Bregenz. Dort soll eine Hexe verbrannt worden sein, und es wächst noch heute kein Gras an der Stelle. - Eine Bildsteinerin, die auf dem Kapf zu Hause war, kam oft zu Verwandten nach Bregenz. Einmal verabredete sie mit zwei ändern Weibern, auf den Thalbachberg Beeren suchen zu gehn. Auf dem Wege dahin gingen ihre Begleiterinnen ein Stück voraus. Als die Bildsteinerin etwas später den Hexenplatz erreichte, war alles hinterfür: was sonst rechts war, sah sie auf der linken Seite und umgekehrt. Ihre Gefährtinnen hörte sie immer reden. Obwohl sie ihnen zurief und den Stimmen nachging, konnte sie die Gefährtinnen nicht erreichen und bekam sie auch nicht mehr zu Gesicht. Endlich kam sie zu einer Kapelle. Sie sah hinein und erkannte darin unsern Herrgott. Es mußte also das Koppele auf der Fluh sein. Aber auch das stand, statt links an der Straße, rechts. Um so schnell als möglich dieser Hexerei zu entfliehen, kehrte sie um und eilte den Berg hinab. Da begegnete ihr ein Weib und das fragte die Geängstigte, wo sie denn sei? Das Weib sagte ihr, wenn sie da abwärts gehe, komme sie zum Stockerholz (am Berg Isel), und erbot sich, sie ein Stück zu begleiten. Die Bildsteinerin fürchtete aber, das könnte am Ende auch eine Hexe sein, sie möchte sie noch ärger irreführen und dann wäre es gar noch Nacht geworden. So ging sie allein weiter, so schnell sie konnte. Da begegneten ihr zwei Männer, die ihr sagten, daß sie auf dem rechten Weg nach Bregenz sei. Seitdem ist die Bildsteinerin aus Furcht vor den Hexen nie mehr beeren gegangen.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 10, S. 35