257. Der gute Graf

Die Feldkircher wissen viel von ihrem letzten Grafen zu rühmen, dem guten Herrn Rudolf, mit was für löblichen Freiheiten und Privilegien er ihr Städtchen ausgestattet, ehe es bei seinem Ableben in die Schirmhand Österreichs überging, und welch leutseliger, froher Herr er gewesen. In der Neustadt, am Fuße der Schattenburg, ist auf einem Brunnen zu sehen, wie er in Wehr und Harnisch gar ritterlich steht.

Auf diesem Platz hat er oftmals an die tausend Buben zu Spiel und Kurzweil versammelt. An der alten Fasnacht lud er sie aus der ganzen Herrschaft als seine lieben Gäste in die Stadt, und sie zogen mit „hölzernen Wehren, Butzen, Fähnlein und Spielhüten" gleich Kriegsknechten auf, um „ihre künftigen Heldengemüter zu erzeigen". Um den Brunnen aber waren „Könelin aufgestellt, wie man den Schafen Geläck zu machen pflegt", voll von saftigem Hirschbraten, der in etlichen Som Milch gekocht worden. Dessen erhielten die Buben genug und noch überdies jeglicher ein Butschellen Brot zu Sold. — Aber auch die Bürger der Stadt ergetzte der Graf mit mancherlei Lustbarkeit, mit Osterspiel und Bolzenschießen und stiftete alljährlich einen fetten Ochsen als Schützenbest. Das gefiel den Untertanen und sie liebten ihren Herrn gar inniglich, wie denn der alte Chronist rühmt, daß „mehr belobter Rudolphus neben ändern schönen Qualitäten eines gar fröhlichen und lustigen Gemütes gewesen", und zudem ein freigebiger frommer Herr, der Kirchen und Klöster gestiftet und mildiglich bedacht.

Auch ins heilige Land ist er als Pilgrim gezogen, über Meer nach Jerusalem. Es war eine fährliche Fahrt, auf der sein Knappe Sturzries das Leben lassen mußte. Der Graf aber wurde aus aller Not wundersam errettet und nach glücklicher Heimkehr baute er dessen zum Dank an der hohen Illbrücke auf felsigem Grund ein Kirchlein zu Ehren des hl. Kreuzes. Darin stellte er der Sage nach ein „wahrhaftiges mirakulöses Abbild" der Muttergottes auf, gar künstlich auf Goldgrund gemalt, das er vom heiligen Lande mitgebracht hatte. — Zu gleicher Zeit ließ er auch den großen Salzstadel neben dem Churertor errichten und mehrte und erweiterte die Stadt allerwegen. So legte er die Vorstadt mit ihren Schleif- und Harnischmühlen an, er „war selbst der Baumeister und gab den Riß und Grund an zum Bauen". Der gute Graf ist der letzte seines Geschlechtes gewesen und groß war das Leid in Stadt und Land, als er starb und in der alten Pfarrkirche der Herold über der offenen Gruft sein Wappenschild zerbrach und rief:

„Grafen von Montfort-Feldkirch und nie- und nimmermehr!"

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 257, S. 149f