432. Der Butz in der Lecher Gemeindestube

Die Stube im Gemeindehaus des Dorfes Lech ist ebenerdig gelegen, öffnet man die schwere, klotzige Tür, so schaut man in einen großen, rauchgeschwärzten Raum, den neun kleine Fensterle spärlich erhellen. Die Stube ist zwölf Schritte lang und ebenso breit. Lange Männer streifen das Zündhölzle an der Stubendecke an. Die Riegelwände sind aus mächtigen Fichtenstämmen. Eine brenzelnde Moderluft erfüllt die dämmerige Stätte. Der gewaltige Gupfa-Ofen wird im Winter täglich geheizt und verzehrt einen Schlitten voll Holz, bis er ordentlich wärmt; er bleibt dann aber drei Tage warm. Im langen Winter gehen die Kirchenbesucher nach dem Gottesdienst in die Gemeindestube, um ein Pfeifle zu rauchen und zu plaudern. Vor altem waltete hier der Am-mann vom Tannberg seines Amtes. In fröhlichen Zeiten diente die Stube auch als Tanzsaal; hier tanzten die Altvordern „noch us der Hand": „Didl, Deidl, noch äs Seidel und den gömmer erst nit heim!"

Der Volksmund erzählt: die Gemeindestube ist etwa dreihundert Jahre alt. Schon lange haust darinnen ein Butz. Es ist ein großer, bartloser Mann in der alten Tannberger Tracht. Er trägt einen Schlapphut, einen langen Rock und Kniehosen aus blauem Tuch, ein Manchesterleible mit Silberknöpfen, blaue Strümpfe und Schnallenschuhe. Er schlägt die Türe auf und zu und geht polternd umher.

Einmal wollten zwei Kesselflicker — andere sagen, es waren slovakische Krämer — auf der Ofenbank in der Gemeindestube übernachten. Mitten in der Nacht wurden sie von unsichtbaren Händen zu Boden geworfen. Als sie niemanden fanden, legten sie sich wieder auf die Bank, aber gleich darauf flogen beide nochmals auf die Dielen. Jetzt verließen sie fluchend den unheimlichen Ort und erwarteten unter strömendem Regen den Morgen.

Zu einer kranken Frau, die jahrelang im Gemeindehaus lag, kam der Butz bis vor ihr Bett hin. Die Nebenstehenden sahen ihn aber nicht. — Einmal ging ein Mann nachts in die Gemeindestube, seinen Mantel zu holen. Als er wieder fort wollte, stand unter der Tür der riesenhafte, schwarze Mann mit dem großen Schlapphut. Mit knapper Not kam der Bauer an dem Butz vorbei.

Schreiber dieses (Fuhrmann Franz Huber) ging einmal um eine Wette nachts in diese Stube, was ihm die Bevölkerung als Frevel auslegte.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 432, S. 242