358. Der brennende Geißbock

Zur Zeit, als die sogenannten Winkeltänze unter dem jungen Volke im Walsertale gar bös im Schwang waren und die Pfarrherren auf der Kanzel und im Beichtstuhle sehr dagegen eiferten, da begab es sich, daß junge Leute aus den vier Gemeinden Damüls, Fontanella, Sonntag und Blons heimlich sich verabredeten, bei gutem Wetter außer der Alpzeit ab und zu an Sonn- und Feiertagen abends in der bestgelegenen und von den Dörfern weitentfernten Alpe Sera im Gemeindegebiet Blons, ausgerüstet mit Feuer und Licht, Proviant und Spielleuten, zu einem gemütlichen Tanze unter vertrauten, verschwiegenen und auserwählten Personen zusammenzukommen. Der Gedanke und Entschluß wurde ausgeführt und einige Proben gelangen nach Wunsch. Aber bei einer neuen Zusammenkunft begab es sich, daß ein brennender Geißbock in voller Wut und mit heftigem Lärm in der Alpstube unter den fröhlich Tanzenden erschien und mit den Hörnern in alle Wände rannte. Die ganze Gesellschaft geriet außer Rand und Band, flüchtete eiligst durch die Fenster und Tür, ließ abgelegte Kleidungsstücke, Proviant und alles zurück und lief zerstreut, in Furcht und Schrecken nach Hause. — Etwas später kam die ganze Geschichte an den Tag und es bildeten sich verschiedene Meinungen über den Geißbock. Man munkelte vom leibhaftigen Teufel, vom dortigen bösen Alpgeist und auch von dem: es hätten boshafte Menschenhände einen wirklichen Geißbock in Stroh eingebunden, angezündet und so bei dunkler Nacht in die Stube gejagt.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 358, S. 204f