Wilde Jagd in Wälschnoven
In Wälschnoven geht es oft unheimlich
her. Wenn es nachts neun Uhr schlägt, lärmt es. Ein Jäger
mit drei Hunden jagt durch das Thal links und rechts, am liebsten auf
dem Fötschenberg. So geht es bei heiligen Zeiten bis zum Morgen,
besonders von Georgi bis Martini. Der Jäger ist der "wilde Mann"
und sein Treiben heißt man das wilde Gejaid. Wer zu Hause ist, schließt
Fenster und Thüre, wenn man das Sausen hört, wer auf dem Wege
ist, geht auf der rechten Seite und segnet sich. Wehe dem, der das nicht
thut! So gieng der Jocher Bauer schlafen und ließ die Thüre
offen. Da fuhr der wilde Mann daher, zog einen Strohhalm hervor und sagte:
"Ein Strohhalm ist auch eine Thür." Seitdem gieng es den Jochauslern
dort immer schlecht.
Manchmal gieng in alten Zeiten der Wilde auch bei Tag um. Er kam mit den
Hündlein zu den Höfen und trug in der Hand eine Eisenstange.
Wenn er sie anlehnte, zitterte das ganze Haus, vor das er kam. Er bat
und bettelte nicht, aber die Leute gaben ihm eine große Schüssel
Milch, da schlappten die Hunde und sobald sie satt waren, zog er weiter.
Gab jemand nicht Milch dem Wilden, kam Unglück über Haus und
Hof. Dies hat der Jocher Bauer empfinden müssen. Da kam einst der
Jäger, und die Hunde bekamen keinen Tropfen Milch. Da ward der Wilde
zornig, riß die Thüre samt Stock und Angeln aus und schrie:
"Keine Thür soll hier sein fürderhin." Und so war es. Der Bauer
mußte sich deßhalb ein neues Haus bauen. Hingegen war er den
Leuten freundlich, die seinen Hunden Milch gaben. So hauste der wilde
Mann viele hundert Jahre im Thale, bis der hl. Vater den großen
Ablaß gab. Seitdem hat der wilde Mann sich nicht mehr "gemahrt."
(Wälschnoven.)
Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben
von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 8, Seite 4.