Die Temper

Die wilde Fahrt heißt in Ulten auch die Temper, vermuthlich deßwegen, weil sie sich an den Quatemberzeiten besonders zeigen soll. An einem Hofe kam eines Abends ein Männlein und bat um Nachtherberge. Man sagte ihm, im Hause sei kein Platz und in der Strohhütte werde er wohl nicht liegen wollen, weil diese Nacht vermutlich die Temper komme. Das Männlein aber wußte von keiner Furcht und ging in die Strohhütte. Des Nachts kam wirklich die Temper und der Knecht, als er den Lärm hörte, stand auf und schaute zum Fenster hinaus. Da hörte er eine Stimme zu ihm heraufrufen, welche sagte: "Willst du auch?" Was er darauf zur Antwort gab, weiß ich nicht, aber die Stimme unten sagte dann wieder: "Wenn du nicht hinter dem Kreuzeisen wärst, so würdest du schon was kriegen!" Das Fenster nämlich, aus welchem der Knecht hinausschaute, war durch zwei sich kreuzende Eisenstangen geschützt. Am anderen Tag, als die Leute hinausgiengen und nach dem Männlein sehen wollten, hieng ein Viertelteil davon vor der Haustür und die übrigen drei Viertelteile lagen zerrissen in der Strohhütte. (Ulten.)

Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 17, Seite 11