Stempa
Sehr gern aß Stempa Nüsse und stahl
diese, sobald sie reif wurden, von den Bäumen. Die Bauern wurden
darüber böse und sannen auf ein Mittel, der Diebin ihr Stehlen
zu verleiden. Einer nahm nun der Stempa, während sie unter einem
Baum schlief, ihre Bulge (Sack), trennte deren Boden auf und legte ihn
wieder an die vorige Stelle. Als sie erwachte, rief sie ihrem Manne und
Parlör kam und selbander giengen sie Nüsse stehlen. Der Mann
stieg auf den Baum und schlug die Früchte herab, Stempa füllte
damit die Bulge, die aber nie voll wurde. Endlich war Parlör des
Dreschens müde und wollte seine Arbeit beenden. Stempa rief aber:
"Alter, drisch nur fort, der Sack ist noch lange nicht voll." Da schlug
er wieder fort. Doch endlich stieg er, der Arbeit übersatt, vom Baum
und sah die Bulge an. Da fand er deren Boden aufgetrennt. Erzürnt
über die Unachtsamkeit seiner Frau gab er ihr eine Maulschelle, daß
sie glaubte, es blitzte. Da erhoben die Bauern, die hinter dem Gestäude
versteckt waren, ein lautes Gelächter - und dies verdroß die
beiden wilden Leute so, daß sie auf den "Fennisberg" entflohen
und sich nicht mehr in der Nähe sehen ließen. (Fersinathal.)
Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben
von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 42, Seite 27.