SALTTHON

Ein Bauer von Arzl im Oberinnthal gieng einmal in den Wald, um Kienholz zu machen. Dort fand er aber einen so harten Zunderstock, daß es ihn viel Mühe kostete, ihn zu klieben. Als er mit dieser Arbeit beschäftigt war, kam eine Fanga daher und fragte den Bauer: "Wie heißest du?" Da antwortete der Bauer dem Waldweibe: "Saltthon." Da sprach die Fanga freudig: "Jetzt bekomm ich einmal Menschenfleisch, das soll mir schmecken." Darauf sagte der Bauer, der ein pfiffiger Kauz war: "Du wirst mich aber nicht roh essen; wenn das Fleisch schmecken soll, muß es gebraten sein." Nun fragte die Fanga: "Wie geht denn das ?" Da erwiderte der Bauer: "Du mußt zuerst diesen Zunderstamm klieben, ihn dann anzünden und dann kannst du mich am Feuer braten. Fahr nur mit deinen starken Händen hinein und reiß den Stock auseinander." Das that das Waldweib und griff in die Spalte hinein. Der Bauer zog aber stracks den hineingeschlagenen Keil heraus und die Fanga war nun eingeklemmt. Wie sie sich so überlistet und gefangen sah, fieng sie an zu schreien und um Hilfe zu rufen. Da kam der Waldmann so herabgetümmelt (gelärmt), daß noch heutzutage der Ort Timmels heißt, und rief: "Wer hat dir ein Leides gethan ?" Antwortete die Fanga: "Saltthon." Als der Waldmann dies hörte, war er unwillig und rief: "Saltthon, saltg'litten!" Dann lief er davon und ließ die Fanga im Stiche. Der Bauer kam nun mit heiler Haut nach Hause, wagte sich aber nie mehr so hoch in den Wald hinauf. (Bei Imst.)


Anmerkung: Fanga, Fenke für Waldweib ist in Vorarlberg und Graubünden gebräuchlich
"saltthon" Dialekt für "selbergetan"


Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 218, Seite 134