Die Hollenleut

Die Hollenleut sind unächte Kinder Adams, die er verheimlichen wollte, und deßhalb bleiben sie den Menschen meist unsichtbar. Auf dem Stein, einem Bauernhofe ob dem Wasserfall, war einmal eine gar eifrige und zu jeder Arbeit geschickte Dienstmagd. Da fuhr der Bauer mit einem hinkenden Roß von Lienz durch den Klauswald heim und hörte von der Zoppitwand her rufen: "Praus mit dem krumpen Rauß (Roß), sag' deiner Dirne: Sagload, dein Mutter ist Pulver und todt."

Am nächsten Morgen erzählte der Bauer dies Begebniß und die Magd fieng heftig an zu weinen und sagte: "Ich muß gehen, meine Mutter ist todt." Beim Abschiede gab sie der Bäuerin einen Zwirnknäuel mit den Worten: "Sag nie, der Zwirn werde nicht gar." - Die Bäuerin hatte lange den Knäuel und er wurde nicht kleiner, so viel sie auch davon abwickelte. Einmal gab sie ihn der Näherin und als diese Faden auf Faden von ihm nahm, ohne daß man es merkte, rief sie verwundert aus: "Der Zwirn wird gar nimmer gar", und sogleich war das Garn zu Ende.

Auf dem Hinteregger Berge verfolgte ein Jäger eine Gemse. Da erschien ein Hollenweibchen und rief: "Schieß mir mein Geißlein nit, schieß mir mein Geißlein nit!" und der Jäger ließ das Thier laufen.

Einmal wurde ein Hollenweibchen vom wilden Manne verfolgt. Da lief es zu einem Mäher und bat ihn, es in seine Messerscheide schlüpfen zu lassen. Er erlaubte es, und das Weibchen war gerettet. Früher wurden drei Kreuze in die Baumstöcke gehauen, damit die Hollenweibchen sich darauf setzen könnten und so von dem wilden Manne sicher wären. (Windisch-Matrei.)



Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 70, Seite 46.