Der Hase

Ein Schütze vom Kaunserberg gieng in den nahegelegenen Wald, um dort zu jagen. Er durchschreitete das ganze Revier, ohne ein Wild aufzutreiben, bis er endlich abends einen Hasen aufjagte. Schnell gab er Feuer, doch Meister Lampe zog ein wenig seine Löffel ein und floh davon. Der Schütze, der sonst sein Gewehr gut handzuhaben wusste, folgte und schoß noch achtmal auf das Thier, das immer wieder wohlbehalten davon lief. Mißmuthig und in der festen Überzeugung, dass seine Flinte nicht tödte, gieng er nach Hause. Da ließ es ihm aber weder Rast noch Ruhe, so dass er in der Nacht das Lager verließ und noch vor Tagesanbruch auf der Alpe Aifens ankam, wo er in die Thaie gieng, kam auf einmal der Hase zur Thüre herein. Der Jäger greift nach dem Gewehre und will schießen. Da setzt sich der Hase auf die hintern Läufe, wächst höher und höher und verwandelt sich in einen Hirten, der gesteht, dass er einst muthwillig einer Kuh ein Auge ausgeworfen habe. Er habe dafür als Hase so lange umgehen müssen, bis ein Jäger ihm neun Schüsse auf das Fell gebrannt habe. Nach diesem Geständnisse verschwand der erlöste Geist. (Oberinnthal)

Straße ins Kaunertal
Straße ins Kaunertal
a) Wallfahrtsjöchel, b) Kleiner Dristkogel, c) Großer Dristkogel, d) Hochrinneck
© Christoph Praxmarer, 4. Juli 2004
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Christoph Praxmarer freundlicherweise für SAGEN.at zur Verfügung gestellt

Quelle: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz Vinzenz Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 335, Seite 199.