Der gefrorene Hois

Ein Knecht in Aurach verstand es, sich gefroren zu machen, und wurde deßhalb von den Leuten der gefrorene Hois geheißen. Als er einmal spätabends von St. Johann nach Kitzbühl in keiner guten Absicht gieng, begegnete ihm ein junger, frischer Bursch mit wunderschönen Spielhahnfedern auf dem Hut und gesellte sich zu lhm. Der Fremde gieng immer auf der linken Seite der Straße und. gab weder Frage noch Antwort, so daß es dem Hois nicht sehr geheuer vorkam und er leise zu beten und schnell zu laufen anfieng. Als er nahe bei Kitzbühl war, machte sich der unheimliche Kamerad immer näher an ihn heran. Da krähte auf einmal in der Nähe ein weißer Hahn und der Fremde verschwand, indem er bei sich verdrießlich murmelte:

"Jetzt muß ich gehen."

Hois aber rief ihm nach: "I Hab' nit g'schickt um di"

und gieng rasch weiter. Als er nach Hause kam, fand er noch alle Mitknechte wach, die ihn ausschalten und fragten, was er in seiner Truhe habe? Es gebe keine Ruhe und niemand könne schlafen. Den Lärm machten aber die Sachen, mit denen er sich gefrören konnte, und er nahm sich, da er heute so bösen Händen glücklich entkommen war, ernstlich vor, alles dem Pater um Ostern zu sagen. Er that es auch und bekannte, daß er in der Thomasnacht um Zwölfuhr von neun Gräbern Erde genommen und daraus ein Todtenköpflein gemacht habe, und Anderes mehr. Der Beichtvater rieth ihm, dies alles in's Wasser zu werfen und dann wieder zu kommen; sonst helfe ihm nichts. Hois kam bald wieder zum Pater, der ihn fragte, was das Wasser gethan habe?

Als Hois antwortete: "Nichts hat's gethan,"

sagte der Beichtvater: "Dann hast du's nicht hinabgeworfen,"

und hieß ihn wieder fortgehen. Nun nahm Hois alle seine Sachen, gieng auf die Brücke und warf sie in's Wasser. Da zischte und brauste es schrecklich. Dann gieng er zum Klösterer, der ihn wiederum fragte, was das Wasser gethan habe?

"Ja, geschieden hat's sich und gelärmt, und ich hab' g'meint, daß ich nachhupfen müsse."

Jetzt war der Pater mit Hois zufrieden. (Kitzbühl.)

Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 777, Seite 447f.