Frau Berchta bei Vilanders [Villanders]

Auf dem Vilanderer Berge weiß man von der wilden Fahrt und der Frau Berchta gar Vieles [sic] zu erzählen. In den sogenannten Klöckelnächten durfte sich Niemand [sic] mehr außer dem Hause aufhalten, denn Frau Berchta nahm jeden, den sie noch im Freien fand, mit sich fort. So sah sie einmal, als sie nach Betläuten mit einem Wagen voll Menschen vorbeifuhr, eine Bauerndirne beim Brunnen, warf sie auf den Wagen und fuhr damit weg. Dies arme Mädel kam nie wieder zum Vorscheine. Als sie einmal an einem Bauernhause vorbeifuhr, riefen ihr die Bewohner desselben zu:

"Laß meinen Theil auch! laß meinen Theil auch!"

Am Morgen fanden sie einen Mann an die Hausthüre genagelt. Als in der folgenden Nacht Frau Berchta wieder vorüberfnhr, riefen sie ihr zu:

"Nimm meinen Theil auch! Nimm meinen Theil auch," und sie nahm den Leichnam wieder fort.

Ueberhaupt hatte Frau Berchta gar sonderbare Sitten und neckte das Weibervolk und hielt es in strenger Zucht und Ordnung. Die Dirnen wußten aber auch gar wirksame Mittel dagegen wie das Athmen in eine Mohnstampfe und Ähnliches. Am schlimmsten zeigte sie sich aber um Weihnachten. Da mußte das Werg abgesponnen und das Garn abgewunden, das Geschirre gescheuert und alles rein und geordnet sein, wenn sie das Vergehen nicht schwer ahnden sollte. (Vilanderer Berg)


Quelle: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz Vinzenz Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 32, Seite 21f.