Der ausgezahlte Geist
Beim Bauer N. in Afing war in alten Zeiten ein freundlicher Geist, der
mit Rath und That diente. Wenn eine Arbeit zu Hause oder auf dem Feld
gethan werden sollte, richtete der Geist in der Nacht das Werkzeug her.
Sollte gemäht werden, dengelte er die ganze Nacht durch, sollte geackert
werden, zog er den Pflug hervor. Auch hörte man ihn oft Praxen und
Raggaun schleifen oder das Fuhrwerk herrichten. Einmal, - es war eine
kalte, stürmische Herbstnacht - arbeitete der Geist unermüdlich
und richtete das Werkzeug für den folgenden Tag her. Da dachte sich
der Bauer: "Morgen kommt der Schneider auf die Steer, und da will ich
dem Geist einen warmen Lodenmantel machen lassen." Gedacht, gethan. Der
Bauer ließ den Mantel machen und gab ihn in der folgenden Nacht
dem Geist mit den Worten: "Sieh, da hast du einen warmen Mantel auf den
Winter." Der Geist nahm ihn und gieng über den Acker hinunter, indem
er sagte:
Von diesem Ort,
Lebt wohl für immer,
Ich komme nimmer."
(Afing.)
Quelle: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz Vinzenz Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 94, Seite 60.