Die Schindhütte im Stillupptal

Vor vielen Jahren saßen in einer Hütte im Stillupptal drei junge Burschen beisammen, denen der Übermut im Gesicht stand. Nach dem Nachtessen zog der Jüngste von ihnen ein Stichmesser aus der Hose und machte sich an einem Stück Zirbenholz zu schaffen. Auf die Frage der beiden andern, was es werden solle, antwortete er: "Einen Hainzen schnitz' ich." Da ging auch schon das Gespött los über das kleine, scheue Volk in den Bergen, über Almputze und Salige und was sich da sonst noch herumtreiben mochte.

Plötzlich ging die Hüttentür auf, ein steinaltes Kasermandl trat ein und bat um ein Nachtlager. Da sprang der Melker auf, nahm das Mandl zwischen die Knie und strich ihm mit dem hölzernen Löffel den Rest vom Mus in den Mund. Der Almputz wehrte sich wohl, vermochte gegen den bärenstarken Loter aber nichts auszurichten. So verlegte er sich aufs Betteln: "Lass mich, ich mag kein Mus, meine Kost sind Speik und Rautenblüh!"

Doch alles Bitten und Betteln half nichts. Der kleine Putz musste das Mus hinunterwürgen, und die drei lachten sich kugelig dabei. Erst als die Pfanne leer war, lockerte der Melker den Griff. Wie der Jochwind im Spätherbst fuhr das Mandl zur Tür hinaus.

In der Nacht, als die drei Burschen in ihren Schlennen lagen, begann es um die Hütte zu poltern. Gleich darauf drang eine Stimme an ihr Ohr: "Den ersten find' ich, den zweiten schind' ich, den dritten steck' ich in einen Söchter (ein Holzgefäß) und werf ihn übers Hüttendach!"

Damit sprang die Tür auf, und der Almputz stand mitten in der Kammer - riesengroß und stierwild. Mit drei Schritten stand er vor dem Lager der drei Burschen. Schon griff er sich den ersten und würgte ihn höllisch. Dem zweiten zog er bei lebendigem Leib die Haut über den Kopf. Den dritten aber steckte er in einen Milchsöchter und warf ihn über das Hüttendach hinaus, dass er mit zerschmetterten Gliedern auf einer Felsplatte liegen blieb.

So ist die Schindhütte zu ihrem Namen gekommen.

Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 118.