DER UNREDLICHE BOTE

Auf der Aste Ebnerfeld zeigt sich oft ein kleines Manndl in grauer Lodenjoppe, kurzen Lederhosen und mit einem dicken Birkenstecken versehen. Es treibt auf der Aste allerlei Unfug;

Des Nachts wirft es in der Hütte die Milchschüsseln und Seihen durcheinander und macht dabei einen solchen Lärm, daß die Almer erschreckt aus dem Schlafe auffahren und bis zum lichten Morgen nicht mehr einschlafen können. Häufig zwängt es auch zwei bis drei der schönsten Kühe in eine Kette, daß man sie nur durch schleuniges Losmachen vor dem Ersticken retten kann.

Dieser Kobold war einst ein Bote, der mit seinem Esel wöchentlich einmal von Zell nach Gerlos gieng und sich so einen kümmerlichen Lebensunterhalt verdiente.

Als einmal der Landesherrin diese Gegend kam, beschloß der Bote, ihn um einen Weideplatz für seinen Esel zu bitten. Der Fürst schenkte ihm ein kleines Feldchen oberhalb des Weilers Eben, wo jetzt die Aste Ebnerfeld ist, bestimmte aber nicht genau die Marken, und so kam es, daß der Bote seinen Besitz auf unrechtmäßige Weise allmählich bedeutend vergrößerte. Später verkaufte er das Feld um einen hohen Preis und muß nun seit seinem Tode auf der Aste für den Frevel so lange leiden, bis sie zugrunde geht.


Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr 16, Seite 14