DER SCHATZ AUS DEM ENGELSBERG
(Eine Sage aus jüngster Zeit.)

Niedergeschrieben von Georg Opperer, 1922

Informationstafel  © Wolfgang Morscher
Informationstafel bei der archäologischen Ausgrabungsstätte "Burgruine Engelsberg":
"Erste urkundliche Erwähnung 1234 als Besitz des Hochstiftes Regensburg. Beim Verkauf
des Brixentales an das Erzstift Salzburg (1380) wird auch der "Turm zu Engelsberg" erwähnt.
Im Zuge der Bauernkriege (Mai 1526) von den Aufständischen niedergebrannt und nur mehr
teilweise errichtet.
Sitz eines Propstes, der für die Einhebung aller Abgaben an den Landsherrn verantwortlich war. Er
war auch Vorsitzender des Urbarialgerichtes, das über Grundrechte und Lehenstreitigkeiten entschied.
1608 wurde die PROBSTEI ENGELSBERG mit dem PFLEGGERICHT ITTER vereinigt und in den MARKT
HOPFGARTEN verlegt.
Seit dieser Zeit zunehmender Verfall."
© Wolfgang Morscher, 29. Mai 2005

Eine halbe Stunde südlich von Hopfgarten liegt das Kirchlein "Elsbethen" das von einem terrassenförmig ansteigenden Hügel überragt wird; hier oben stand einst ein stolzes Schloß. Es ist 1526 von rebellischen Bauern zerstört worden.

Torbogen © © Wolfgang Morscher
Fragment eines Torbogens, Burgruine Engelsberg, Hopfgarten im Brixental
Bitte nehmen Sie Rücksicht auf die archäologische Arbeit, Schätze sind hier sicherlich
nicht mehr zu finden!
© Wolfgang Morscher, 29. Mai 2005

Selbstverständlich ist auch dieses Schloß und nunmehrige Ruine von Sagen umwoben. Besonders an einen heute noch erkennbaren Torbogen knüpfen einige Schatzsagen an. Dieser soll besonders veranlagten Menschen, Sonntagskindern und dgl. zu gewissen Zeiten offen gestanden sein. Unter anderen fand dort ein Lederergeselle aus Hopfgarten, kurzweg Ledererheinz genannt, unvermutet Eingang. Er fand in einem langen Gang mehrere Truhen voll mit Eierschalen. Heinz war über diese sonderbare Sammlung erstaunt, vermutete aber, daß es mit diesen Eierschalen eine eigene Bewandtnis haben könnte. Er versuchte eine Truhe aufzuheben. Es ging. Die Last schien nicht groß und Heinz lud sich eine auf den Rücken. Als er aber ins Freie kam, wurde die Truhe schwerer und schwerer, bis sie ihn niederdrückte. Er warf die Truhe ab und vernahm, als sie in den Gang zurückkollerte und vor seinen Augen verschwand, ein Klirren und Klimpern wie von Gold und Silbermünzen, in die sich die Eierschalen verwandelt haben mußten. Heinz ging nun Tag für Tag auf den Engelsberg. Er wollte, wenn ihm das Glück noch einmal hold sein sollte, bescheidener sein, und nur so viel Eierschalen nehmen, daß er sie tragen konnte. Aber er wurde alt über seine vergeblichen Sehnsucht. Da sprach ihn eines Tages ein Mädchen an, daß auf den Engelsberg Ziegen weidete. Was er da alle Tage mache, fragte ihn das Mädchen, dem sein täglicher Gang aufgefallen war. Heinz erzählte ihr sein Erleben, stellte aber die Bedingung: wenn sie, vielleicht einmal Eingang finde und von dem Schatz abhebe, müsse sie mit ihm teilen. Das Mädchen machte sich lustig über die Einbildung des Alten, kam aber doch nicht mehr zur Ruhe. So ein Hut voller Taler, von denen sie um einen einzigen beim Unterreiner, dem Bauern, welchem der Schloßberg gehörte, ein ganzes Jahr als "Umträgerin" (so nannte man die letzte der Mägde) dienen mußte, wäre doch nicht zu verachten. Die Neugierde lockte sie in die Nähe des verheißungsvollen Tores und einmal sah sie dort einen Hund sitzen, der im Maul einen Schlüssel hielt. Vor Schrecken fast versteinert, vergaß sie, irgend etwas zu unternehmen was zur Aufklärung der Erscheinung dienlich gewesen wäre. Sie kam erst wieder zur Besinnung, als der Hund verschwunden war. Christl, so hieß das Mädl, eilte mit den Ziegen nach Hause, zog sich um und ging in den Markt zur Beichte. Es war der Portiunkula-Samstag. Im Beichtstuhl erzählte sie ihr Erlebnis dem Beichtvater. Die Geistlichkeit von Hopfgarten war damals der Manharter wegen sehr aufgeregt. Die "Manharter", eine Sekte unter den sonst gutgläubigen Christen, waren von der Geistlichkeit abgefallen, weil diese nach der Übergabe österr. Gebiete an Kaiser Napoleon diesem den Treueid leisteten. Der Pfarrer witterte in der Christl eine Spionin der Manharter und lud sie am darauffolgenden Sonntag zu sich in den Pfarrhof. Er versuchte über ihre Beichte privat, also mit Vermeidung des Beichtgeheimnisses, etwas herauszubringen. Sie stand von ihrer Erzählung nicht ab, vielmehr behauptete sie, daß ihr der Schreck noch in allen Gliedern stecke und daß sie um keinen Preis mehr auf den Engelsberg gehe. Die Christl wurde darauf noch vom Landrichter einvernommen und hielt auch dort ihre ursprüngliche Darstellung der Erscheinung aufrecht. Sie erzählte noch ihren Enkelkindern, von denen eines noch lebt, davon und von dem peinlichen Verhör vor dem Pfarrer und dem Landrichter. Die Geschichte von den Eierschalen und dem Hund mit dem Schlüssel im Maul sprach sich noch lange weiter, als die Kronzeugen, sowohl der Ledererheinz als die Christl, schon unter der Erde waren.

Viele Jahre später lebte sie neuerdings auf. Es hatte sich inzwischen auf dem Engelsberg aus dem Gemäuer welche das geheimnisvolle Tor einschloß, eine Inkais-Inhäusler=Wohnpartei eine Wohnung errichtet. Da drang einmal ein vorwitziger Bube aus dem Markt ein und fragte nach dem Tor, das zu den Schätzen führe. Die Häuslerin wies ihm die Tür zum Eingang, welcher als Keller eingerichtet war, und als er zögerte, packte sie ihn und wollte ihn hinführen. Den Buben aber erschreckte das ungestüme Wesen der alten Frau, die wie eine Hexe aussah. Er riß sich los und rannte heulend den Berg hinunter. Am Weg stieß er auf einen Herrn. Dieser fragte, ihn nach der Ursache seiner Flucht.

Der Bub erzählte weinend, wurde aber vom Herrn, einem in Hopfgarten wohlbekannten Kaufmann, der zwischen Prag und Mailand regen Handel mit Glas und Wein betrieb, getröstet und schließlich beschenkt.

Nun war aber der betreffende Herr von der Neugierde auf den Schatz schon angesteckt. Von seiner nächsten Reise brachte er italienische Knappen mit: "Venediger-Mandln." Sie konnten kein Wort deutsch und das war wohl der Hauptzweck, warum der unternehmungslustige Kaufmann sich gerade diese bestellte. Er trug sich nämlich ernstlich mit der Absicht, nach dem sagenhaften Schatz auf dem Engelsberg zu suchen. Mit dem Besitzer des Schloßberges traf er das Abkommen, daß der Schatz, wenn einer vorkomme, zwischen ihnen geteilt werde. Unter dieser Bedingung ließ ihm der Unterreiner freie Hand. Die Venedigermandln trieben einen Schacht in den Schloßberg. Die Grabungen wurden dann unvermittelt eingestellt und die Venedigermandln verschwanden. Ob sie etwas gefunden haben, weiß bis heute niemand. Doch soll, Spuren von Wagenrädern zufolge, um diese Zeit eine schwere Last vom Engelsberg weggeführt worden sein. Der Unterreiner hat keinen Teil davon erhalten. Der Schatzgräber hat auch niemals einen Fund zugegeben, obwohl ihm ein solcher angedichtet wurde und heute noch von allen Leuten hartnäckig behauptet wird. Dazu gab wohl sein wie aus der Erde gestampfter Wohlstand Anlaß, der aber durchaus nicht auf den Fund eines Schatzes beruhen brauche, da er ja ein für jene Zeit ertragreiches Unternehmen besaß.

Georg Opperer in: Tiroler Grenzbote, 1922; von Gottfried Opperer freundlicherweise zur Verfügung gestellt