Die Schatzbohrer

Am Fuße der Sonnenspitze, zwischen den Almen der Möls und Klamm, liegt eine kleine Lache, die glänzt - besonders wenn die Sonne dareinscheint - so wundersam, als war ihr Wasser voller Goldstaub oder der Grund mit Gold gepflastert. Die Sage erzählt nun, das sei auch wirklich einmal so gewesen, und das Almvieh, das an der Goldlache seinen Durst löschte, habe mit dem Wasser auch das Gold in sich hineingetrunken. Der Metzger jener Tage, der von den Bauern im Herbste das eine oder andere Stück zum Schlachten einhandelte, stand sich bei dem Handel gut. Denn in den Eingeweiden der Tiere fand er Gold, und oft so viel, daß es den Wert des Stückes reichlich überwog und den Metzger in kurzer Zeit zum schwerreichen Manne machte. Vor den Bauern hielt er die Herkunft seines Reichtums wohlweislich geheim, und weil er sie gut zahlte und bei jedem Handel mit gutem Trank und teurem Tabak bewirtete, priesen sie ihn einen Mann von Verstand und Herz, der sich nicht nur auf sein Glück verstehe, sondern auch andere leben lasse. Sie ahnten nicht, daß sie selber ihm das Glück ins Haus brachten, ja es vierbeinig ihm zutrieben.

Mit der Zeit aber machten sich zwei Bauern Gedanken über die Quelle der Wohlhabenheit ihres Metzgers, und sie kamen eines Tages überein, ihr Glück an der goldenen Lache zu versuchen. In aller Heimlichkeit trieben sie einen langen Brunnenbohrer in den Grund der Lache, drehten ihn einige Zoll tief hinein, und als sie ihn vorsichtig aus dem Boden zogen - "Ham mers decht gwißt!" riefen sie wie aus einem Munde -, voll Golderde war. Sogleich setzten sie den Bohrer wieder an und bohrten und bohrten ihn tief und tiefer in den Grund. Auf einmal blieb er stecken und ließ sich mit aller Gewalt nicht tiefertreiben. Aber auch nicht zurück und heraus; sie mochten an ihm reißen und rütteln und ihn rechtsherum zu drehen versuchen oder linksherum - er saß fest. Aufschnaufend hielten sie ein und schauten auf, und da sahen sie zwei altertümlich gekleidete Graubärte hinterm Riegel auftauchen und geradewegs auf sie zukommen. Verärgert über die unerwünschten Zeugen ihres Tuns, packten die beiden Bauern die Sache mit aller Gewalt an, drücken und ziehen und stoßen und - da bricht der Bohrer. In ihrem Zorne würfen sie jetzt am liebsten das abgebrochene Ende den beiden Fremdlingen an den Kopf, derentwegen sie sich so wild ins Zeug gelegt hatten, aber die sind weg, verschwunden, als ob sie der Boden verschluckt hätte. Da kroch die Bauern die Angst an: die zwei Alten mußten die Schatzhüter gewesen sein, und niemand anderer. Und sie ließen alles liegen und stehen und rannten talwärts, ohne auch nur einen Blick hinter sich zu werfen.

Die Goldlache am Fuß der Sonnenspitze glänzt und gleist immer noch, und stehst du weiter weg und blickst nach ihr, du meinst wahrhaftig, du sähest eine goldene Lache. Trittst du aber näher, erkennst du bald: es ist nur der goldne Sonnenschein, der dir aus dem Wasser entgegenglänzt.

(Dem Junkerbauern nacherzählt)

Quelle: Sagen aus Wattens und Umgebung; gesammelt von den Schulkindern in Wattens und Wattenberg. In: Wattener Buch, Beiträge zur Heimatkunde von Wattens, Wattenberg und Vögelsberg. Schlern-Schriften 165, Innsbruck 1958. S. 309 - 326.

Dokumentation - Von der Mölser Sonnenspitze, dem Klammjoch und Gold in Navis

Den kürzesten Übergang nach Navis und somit zur Brennerstrecke vermittelt das Klammjoch (2360m; 5l/2 Stunden) […] Die Mölser Sonnenspitze ist der östliche Eckpunkt des Roßbodens, jenes breiten Rückens, der zum Voldertaler Grenzkamm hinüberführt. […]

Unter dem Klammsee liegen die Böden der Griffalpe, etwas links abseits vom Steig findet man, wenn man Glück und die richtige Spürnase hat, den Eingang zu einem alten Bergwerkstollen, der 200 m in den Berg hineinführen soll. Ich war vor einigen Jahren an einem regnerischen Herbsttag einmal drinnen, ausgerüstet mit Meißel und Hammer und einer alten Fahrradlampe. Am Rücken liegend schiebt man sich durch das Eingangsloch hinab, eine abenteuerliche Sache mit wenig Aussicht auf Erfolg; es dauerte nicht lange dann ging mir plötzlich die Lampe, deren Glas ich an der Stollenwand zerschlagen hatte, aus, und mit einer Beule am Kopf und aufgeschundenen Fingern kroch ich wieder mit vieler Mühe ans Tageslicht und trollte zur Griffalpe hinab. Ein kurzes Stück unterhalb des Stollens traf ich auf eine große, schräg geneigte Felsplatte, aus der zwei rechteckige, trogartige Vertiefungen sauber herausgemeißelt waren. Da gleich neben der Platte ein Bächlein floß, kam ich auf die Vermutung, daß hier einmal Gold gewaschen worden sein könnte; in nächster Nähe scheinen noch die Grundmauern einer Hütte, wohl der alten Knappenhütte, auf.

Tags darauf traf ich auf meiner Wanderung durchs Navistal einen alten Bauern, der mir bestätigte, daß dort einmal nach Gold gegraben und am Bächlein vor nicht allzu langer Zeit Goldsand gewaschen worden wäre. Zum Beweis, daß das Wasser heute noch goldhaltigen Sand mit sich führe, erzählte er mir, er und sein Bruder hätten gegen Ende des letzten Krieges auf der Klammalm zwei Ziegen gehalten, die des saftigen und schmackhaften Futters wegen, ständig in der Nähe des Bächleins weideten. Zu Kirchweih wurde eine davon geschlachtet und dabei festgestellt, daß das Gebiß einen auffallend gelben Belag hatte. Sie sandten hierauf den Schädel zur Untersuchung an das Chemische Institut nach Innsbruck, wo man einwandfrei ermittelte, daß der Belag goldhaltig war.

Quelle: Die Wattener Lizum und ihre Berge, Alfons Kasseroler, in: Wattener Buch, Innsbruck 1958, S. 15f