Der Hexentummelplatz im Kaiserbachtal und der Traunsteiner Landrichter im Griesener Kar

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Vom Stripsenjoch über den Wildanger in das Kaiserbachtal hinab und wieder zurück bin ich so oft gegangen, daß mir dort jeder Berg, jeder Hügel, jeder Stein und jedes Bäumchen wohlbekannt ist. Aber einmal ist mir doch auf diesem Wege ganz anders geworden. Es überfiel mich plötzlich dichter, schwarzer Nebel, daß ich kaum ein paar Schnitte vor mir sehen konnte; ein Gewitterregen strömte wie aus offenen Schleusen herunter und der Kaiserbach tobte in wildem Tosen, Schotter und Steine mit sich reißend, dahin. Ich hatte mich in der Eile im Gestrüpp verrannt, und wußte nicht mehr, wo lch war. Ganz fremd, ganz anders und unbekannt kam mir die Umgebung vor. Die schweren Wolkenmassen fingen an, sich wie eine gespannte Decke vom Boden zu erheben, unter welcher ich eine scheinbar tiefe, feurige Schlucht erblickte; es war Täuschung, es waren Reflexe der teilweise durch die Wolken brechenden Sonnenstrahlen; denn das Gewitter lag ganz tief und darüber war heiterer Himmel und lachender Sonnenschein, ein prachtvolles Naturschauspiel. Ober mir rauschte es oft gleich fernen Musiktönen und dann wieder wie gewaltiger Hagel hinter den Felswänden. Ich eilte, so schnell ich konnte, hinab zum hochangeschwollenen Bach, den ich auf ein paar Steinblöcken übersetzte, und erreichte bald darauf die Fischbacher-Alpe, wo mich der alte Fischbacher freundlich, aufnahm.

"Ja, mein Lieber, da haben dir halt auch einmal die Hexen eines aufgespielt am Tummelplatz oben," sagte er, mich auslachend: "schaug aufi!" Die Wolken waren, in die Höhe gegangen, und er zeigte mir einen schwarzen Felskopf neben dem Griesener Tor. "Siehst die Hexen oben tanzen?" Wahrhaftig, von da oben kam der Lärm, und der Felskopf sah so düster und unheilvoll aus, daß ich ihn selbst für ein Hexenheim hielt. "Siehst, dieses ist der Hexentummelplatz. Zur selben Zeit, wo es noch Hexen gegeben hat, hat man sie da hinauf gebannt, und da sagt man halt noch heutigestags, daß da oben Hexen sind und in der Weihnachtsnacht Musik machen und tanzen.

Beim Griesener Bauern draußen war ein Knecht, ein recht frischer, verwegener Bursche, der sagte voll Spott in der heiligen Nacht,, er gehe hinauf auf den Tummelplatz zum Hexenball. Er ist auch gegangen; wie er aber heimkam, spottete er nicht mehr; er fing an zu kränkeln und ist bald darauf gestorben." Der alte Fischbacher erzählte weiter: "Ich kannte als Knabe den alten Griesener Bauern noch; dieser war sehr wohlhabend und wohlangesehen und ritt immer auf einem Bräundl zur Kirche. Eines Abends ums Dunkeln kam eine fremde Dirne zu ihm in das Haus und bat um Dienst. Da sie ihm' gefiel, so nahm er sie auf und er hatte es auch nicht zu bereuen; denn sie war sehr schweigsam, recht brav und eine tüchtige Arbeiterin. Woher sie jedoch sei, das konnte niemand von ihr herausbringen. Eines Tages war der alte Griesener Bauer auf seine Alpe hineingeritten; als er abends zurückkehrte, kam vom Hexentummelplatz eine Stimme herab: "Michl!" (so hieß nämlich der Bauer) "Was ist’s?" fragte der Bauer. Die Stimme sprach: "Sag' der Muschlag-Tusch, sie soll kommen,   der   Rauchbintner  ist  krank."

Er wußte nicht, was dieses zu bedeuten habe, und ritt weiter.   Als er zu  Hause  dieses erzählte,  ging die fremde Magd zur Tür hinaus und man sah und erfuhr von ihr weder Laub noch Staub.

"Hast du vom Traunsteiner Landrichter nie was gehört?" fuhr der alte Fischbacher zu erzählen weiter. "Dieser ist wegen eines falschen Urteils in den Kaiser verbannt worden und lange Zeit auf einem prächtigen Wagen im Griesener Kar herumgefahren. Der Wagen ist gebrochen, die Trümmer liegen noch droben, sehr schöne goldene Stücke schauen unter dem Schutt heraus, aber wenn jemand so ein Stück aufheben will, verschwindet es."

Auch die vielerzählte Geschichte von der dicken Huberbäuerin auf dem Schönwetterfensterl weiß der alte Fischbacher genau. Alle diese Geschichten, die jetzt nur mehr als Sagen bekannt sind, wurden ihm als wahre Begebenheiten erzählt, da, wie er sagte, die Hexereien in seine Jugendzeit hineinreichten und die Alten noch fest daran glaubten. Während des langen Plauderns waren meine Kleider am Herdfeuer getrocknet, der Himmel wurde wieder freundlich und heiter und so setzte ich, beim alten Fischbacher auf baldiges Wiedersehen mich verabschiedend, meinen Weg wieder weiter fort.

Quelle: Sagen aus dem Kaisergebirge, Anton Karg, Kufstein 1926, S. 47ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Mai 2006.
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