Der Geisterschmied in der Sparchner Schmiedwand.

Die Kufsteiner haben dem Kaiserberg zu Ehren eine Straße ihres Städtchens "Kaiserbergstraße" benannt, an deren Ende man entweder rechts über den Feldweg oder gerade aus auf der Straße in einer leichten halben Stunde zur Sparchen gelangt. Bei der Straßenwende, von wo aus sich ein malerischer Rückblick auf die auf dem „Kopfstein" hochragende Burg Geroldseck bietet, guckt unter buschigen Bäumen ein sauberes Wirtshäuschen heraus. Da stand einstens wohl auch die alte Sparchener Schenke. Noch einige Schritte weiter und man hört schon das Rauschen des Kaiserbaches. Von der Sparchener Brücke aus werfen wir einen Blick in die wildromantische Sparchener Schlucht und das schöne Kaisertal empor. Gleich oberhalb der „Stiege", wie hierzulande der erste treppenartige Aufstieg ins Kaisertal genannt wird, hat man einen herrlichen Blick auf Kufstein und das Inntal. In halber Höhe des Anstieges führt rechts ein Steiglein ab zur Sparchner-Schmied-Wand. Hinter dieser Felsenwand hatten die kaiserlichen Bergschmiedlein ihre Schmiede, aus der sie vor Zeiten herauskamen und auch hier heraußen lustig hämmerten. Sie stehen besonders bei den Bauern und Holzarbeitern in gutem Andenken, weil sie deren Vorfahren die Schmiedearbeiten in zaubernder Schnelligkeit ganz unentgeltlich leisteten. Mitunter trieben sie freilich auch manchen Ulk und taten sich nebstbei im Schenkekeller bei mancher Kanne Wein gütlich.

Es erzählt die Sage, daß einer dieser Bergschmiedlein einmal die Gestalt eines schmucken Jünglings annahm und hier an der Wand sein Schmiedehandwerk betrieb. Er verfertigte die kunstvollsten Waffen und Rüstungen für die Ritterherren der umliegenden Schlösser. Hatte er nun tagsüber seinen Hammer tüchtig gerührt, so hing er abends seine Laute um und ging in die nahe Schenke, um dort dem fröhlichen Wirtstöchterlein die wundervollsten Herzenslieder vorzusingen. Bald ward sein treffliches Spiel und Sang weiter bekannt und er gar oft zur fröhlichen Kurzweil auf die nahen Burgen und bei den Bürgern geladen. Im Fluge war ihm viel Frauenhuld zuteil geworden und öfter als  je ward  er auf Geroldseck befohlen, um dort das Burgfräulein, welches Gefallen an ihm zu haben schien, mit seinen Liedern zu erfreuen. Aber auf dem Weg zur Burg mußte er immer erst in der Schenke einkehren, und da geschah es denn einmal, daß er auf die Burg samt dem Burgfräulein vergaß und in der Schenke sitzen blieb. Er hatte sich nun damit die Ungunst der Schloßherrschaft zugezogen und es gab eifersüchtige Schelme genug, die ihn beim Burgherrn verhetzten. Dazu kam noch der neidische Burgschmied, der ihn verdächtigte, als fertige er die Waffen für die Feinde des Geroldseckers. Darob erzürnt, gab der alte Ritter den Befehl, den Sparchener Schmied an der Wand auf die Burg einzubringen. Alsbald zog ein Fähnlein Reisiger und hinter ihnen die Schergen mit den Schellen durch den langen Gang von der Burg hinunter, hinaus beim Stadttor der Sparchen zu.

Der Geisterschmied

Als das Wirtstöchlerlein in der Schenke den unheimlichen Zug vorüberziehen und die Kriegsknechte scheele Blicke auf sie werfen sah, erschrak sie in böser Ahnung. Oben aber, auf dem Schlosse, saß das Burgfräulein am Erker und sah, von einem Gemisch von Gefühlen erregt, der Truppe auf der Straße nach, die bald in ihrer Mitte den gefangenen Sänger auf die Burg bringen sollte. Die Soldaten waren mittlerweile bei der Schmiede angelangt und umstellten dieselbe.   Der Anführer mit den Schergen trat in die Schmiede, wo der junge Schmied, der am Amboß stand, ihnen ruhig und ernst in das Gesicht sah. Als aber der Anführer ihm die Verhaftung angekündigt hatte und die Schergen auf ihn zugingen, um ihn festzunehmen, da schlug er mit seinem Hammer an den Felsen, die Wand tat sich auf und er verschwand in ihr, hinein zu seinen Bergschmiedlein. Die Soldaten und Schergen flohen erschreckt in die Burg zurück. Als es nun Nacht geworden, da schritten die Bergmännlein zum letztenmal alle heraus und begaben sich zur Schenke, musizierten und sangen dort so lieblich, daß sie damit das Wirtstöchterlein aus dem Schlummer weckten und in die Stube lockten. Hier mußte sie ihnen eine tüchtige Kanne Wein auf den Tisch stellen, worauf die Schmiedlein in drolligen Scherzen ihren Liebling verehrten und mit allerhand zierlichem Geschmeide reichlich beschenkten. Bevor das Tagesgrauen begann, richteten sie sich zum festlichen Aufbruche und sie zogen dann, das Wirtstöchterlein nun als des Sängers Braut mit ihnen, im feierlichen Zuge zur Felsenschmiede hinüber und hinein in die unterirdischen Hallen des Kaiserberges. Der alte Ritter von Geroldseck aber ließ bald darauf die Schmiede zerstören; doch die Bergschmiedlein klopfen und hämmern heute noch hinter der Wand lustig und fröhlich' fort und es ist manchmal, als höre man noch, wie aus weiter Ferne, die herrlichen, melodischen Töne des Sängers und Geisterschmiedes in der Sparchener Schmiedwand.

Vergl. "Der Geisterschmied", Märchen von Carla Friedl im Tiroler Grenzboten 1910, Nr, 72. Von demselben Verfasser stammt ein Volksstück gleichen Namens mit Gesang und Tanz in vier Akten.


Quelle: Sagen aus dem Kaisergebirge, Anton Karg, Kufstein 1926, S. 10ff
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Mai 2006.
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