Der Teufel als Pfarrer

In Brandenberg war ein Pfarrer namens Winkler, der weit und breit ob seiner Frömmigkeit in hohem Ansehen stand. Er selbst ging stets in schlechten Kleidern herum, damit er von seinem kärglichen Einkommen möglichst viel an die Armen verteilen konnte. Auch war er ein berühmter Teufelsaustreiber und Geisterbanner und kein Mensch konnte ihm eine schlechte Handlung nachsagen. Da ging einmal ein Bauer spät nachts beim Huberwirt vorbei, schaute durch das Fenster ins Herrenstübl und bemerkte dort den Pfarrer, wie er neben der Kellnerin saß und zärtlich den Arm um ihren Hals geschlungen hatte. Das ärgerte den Bauer sehr und er beschloß, dem Pfarrer eine Verlegenheit zu bereiten. Er ging zum Widum, läutete dort und verlangte den Herrn Pfarrer zu sprechen. Die Häuserin sagte, sie werde ihn sofort rufen. Gleich darauf kam der Pfarrer herunter. Jetzt war der Bauer so betroffen, daß er auf die Frage des Pfarrers, was er wünsche, keinen Laut hervorbringen konnte. Da fragte ihn der Seelsorger noch einmal, was ihn zu ihm führe. Aber der Bauer blieb immer noch stumm, denn er konnte ihm doch unmöglich sagen, was er im Wirtshause gesehen hatte. Erst auf wiederholtes Drängen erzählte ihm der Bauer alles und bat ihn um Verzeihung wegen des gegen ihn gehegten Mißtrauens. Da sagte der Pfarrer halblaut zu sich selbst:

A, will er mi iatz also kriegn dr Tuifl!

und bedeutete dem Bauer, er könne ruhig nach Hause gehen und brauche sich nicht zu fürchten. Dieser stand aber doch auf dem Heimwege damische Ängsten aus, weil er glaubte, der Teufel könnte sich an ihm für den Verrat rächen.

Quelle: Der Teufel als Pfarrer, Dörler, Tiroler Teufelsglaube, ZfVk. 9, 1899, 363 zit. nach Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 169/2, S. 95f