Der Teufel holt sich Opfer in die Hölle

Man hört nicht selten, daß der Teufel die ihm verfallenen Seelen in einer eleganten Equipage zur Hölle kutschiert, wie dies bei der alten Strählin von Imst der Fall war. Dieselbe wurde allgemein als die reichste Witwe des Ortes angesehen, hatte aber das Geld auf sehr unredliche Weise erworben. Ein Imster Knecht, der mit einem Fuhrwerk aus dem Oberland, wo er für seinen Herrn Wein verhandelt hatte, zur Pontlatzner Brücke kam, sah, wie am jenseitigen Ufer eine mit vier Pferden bespannte Kutsche, die ein schwarz gekleideter Herr lenkte, ihm entgegen fuhr. Da zwei Fuhrwerke einander auf der Brücke nicht ausweichen können, glaubte er bei der Brücke warten zu müssen, bis die Kutsche dieselbe passiert hätte. Wie das Gefährt näher kam, erkannte er, daß die alte Strählin drinnen saß, erstaunte aber nicht wenig, als die Kutsche nicht über die Brücke fuhr, sondern unmittelbar vor derselben in den Felsen hinein schoß, der sich für einen Augenblick geöffnet hatte. Der Knecht wußte nicht, was er sich davon denken sollte, fuhr über die Brücke und setzte seinen Weg nach Imst fort. Daselbst erzählte man ihm, daß die alte Strählin kurz vor seiner Ankunft gestorben sei. Anfangs wollte er's nicht glauben; als er sie aber selbst auf dem Schrägen liegen sah, mußte er wohl einsehen, daß der Teufel die Seele der Alten zur Hölle gefahren hatte.

Quelle: Der Teufel holt sich Opfer in die Hölle, Dörler, Tiroler Teufelsglaube, ZfVk. 9, 1899, 258 zit. nach Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 218, S. 117