Der Ritter mit der Goldkiste

Zu einem Bauern im Kreckelmoos kam einst vor vielen hundert Jahren ein Ritter, der eine große, schwere Kiste bei sich hatte. Er übernachtete bei dem Bauern, und als er am anderen Morgen wieder weiterreiste, sagte er zu diesem:

Bewahre mir die Kiste gut auf; so lange, bis ich dir schreibe, daß du mir sie nachsenden sollst. Hier hast du meinen Namen und Wohnort. Aber schaue ja nicht in die Kiste hinein!

Der Ritter ritt davon. Es vergingen Tage, Wochen, Monate und Jahre, doch der Bauer erhielt keinerlei Nachricht. Schließlich dachte er sich: Der Ritter hat die Kiste wohl gar vergessen; und weil ihn die Neugierde so furchtbar plagte und peinigte und er sich nicht mehr halten konnte, machte er die Kiste auf. Doch sie war nur voll Nägel. Er tat die Nägel auseinan[d] -und wühlte mit den Händen tiefer; siehe da - da kam das pure Gold zum Vorschein. Jetzt sagte er aber nichts mehr, als endlich eine Botschaft des Ritters kam, und hielt sich ganz mäuschenstill. Doch nach seinem Tode ereilte den Bauern die Strafe. Sein Geist lärmte und rumorte noch lange nachts so im Hause herum, daß sich die Kühe von den Ketten losrissen und die Hühner erschreckt im Stalle herumflatterten. Ja, er trieb es sogar so weit, daß er die Knechte, welche abends ruhig auf der Ofenbank saßen und ihr Pfeifchen schmauchten, von der Bank herunterwarf.


Quelle: Der Ritter mit der Goldkiste, Aus Reutte, Metzler, Sagen aus dem Außerfern: ZföVk. 23, 1917, 124 zit. nach Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 297, S. 162