Der Hexenschemel

In der Heiligen Nacht soll man einen Schemel aus neunerlei Holz verfertigen, dann den Backofen gut einheizen und diesen Schemel auf die Glut stellen. Schaut man nun, während es in der Christmette zur Wandlung läutet, in den Backofen hinein, so sieht man die Hexen des Dorfes auf dem Schemel sitzen. Doch wehe, wenn der Schemel nicht bis zum letzten Läuten verbrannt ist; denn dann würde der Neugierige von den Hexen zerrissen werden.

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Im Augenblick höchster Weihe (der Wandlung), wenn alle in der hell erleuchteten Kirche versammelt sind, glaubte man die Hexe erkennen zu können. Man mußte, auf einem Schemel kniend, durch ein Astloch nach ihnen sehen. Dann sah man sie mit einer Milchseihe auf dem Kopfe.

"Sie meinen, die Hexen wären nicht in der Kirche?"

"O, woll! Ein Mann, der es versucht, sie herauszufinden, hat es beinah nicht dertan, auf dem Schemel zu bleiben, als er sie sah, und wäre er heruntergefallen, so hätten sie ihn gehabt."

Quelle: Aus Nesselwängle, Metzler, Sagen aus dem Außerfern, ZföVk. 23, 1917, 125 zit. nach Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 163/1, S. 92
Rehsener: ZfVk. 8, 1898, 251 zit. nach Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 163/2, S. 93