VON WILDEN MÄNNERN

Im Windach bei den Bruggern" waren in alten Zeiten die Häuser das ganze Jahr durch bewohnt. Da seien sehr oft zwei wilde Männer zu sehen und zu hören gewesen. Einer kam fast jede Nacht an ein Kammerfenster und schaute wild und verstört herein. Der andere kam auch manchmal, aber nicht so oft wie der eine. Einmal in der Nacht sind sie aber beide gekommen und jener, der öfter dagewesen war, rief durchs Fenster herein: Stizlas Midl Amidl ist g'storben". Hierauf verschwanden beide Wilden laut weinend und heulend. Seitdem sah und hörte niemand mehr etwas von ihnen.

Auch im Wald" bei Sölden hat sich so ein Wilder aufgehalten. Er war immer allein im Wald draußen. Oft schrie er, daß die Leute meinten, es fehle ihm etwas. Wenn sie aber hinausgingen schauen, fehlte ihm nichts. Das erbitterte die Leute. Einmal aber schrie der wilde Mann schrecklich und ängstlich. Die Leute aber sagten: Laßt ihn nur schreien, er will uns nur narren!" Und niemand ging hinaus in den Wald, um zu helfen. Als man den Waldmenschen aber einige Tage lang nicht hörte, da ging man doch nach ihm suchen und fand ihn draußen tot liegen.

Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 134
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997