Der Tscheyer-Friedl

Auf der Hochweide Tschey hauste der Friedl. Er war ein treuloser und bösartiger Hirt. Durch seine Nachlässigkeit ging manches Stück Vieh zugrunde, aber es war ihm gleichgültig und nie suchte er es auf. Er ließ immer die Eigentümer allein suchen. Er war auch boshaft, denn war er einem Mensch abgeneigt, so mußte es das arme Vieh entgelten, und oftmals soll er das arme Vieh geplagt, verstümmelt und insbesondere ihm den Schweif abgeschnitten haben. Das soll vor zweihundert Jahren gewesen sein. Seit seinem Tode bis auf den heutigen Tage spukt nun der Friedl in der Tschey herum. Hlirten, Jäger und viele viehsuchende Leute wollen ihn gesehen haben. Er erscheint an den Grenzmarken des Tscheyberges bald da, bald dort, an diesem oder jenem Ende und auf den höchsten Bergspitzen, wie suchend. Sein Gewand ist ein grauer Hirtenrock und ein brauner Schlapphut, tief im Kopfe, so daß man sein Gesicht selten sieht. Sein Gesicht ist leichenblaß und er trägt einen Knotenstock in seiner Hand. Kommt ihm jemand nahe, so winkt er mit der Hand zurück, daß man ihm nicht nahe komme, und geht langsam und gebückt weiter. Ein Schauer überfällt alle, die ihn sehen, der Kopf und das Gesicht schwillt ihnen an und manche sollen vor Schrecken bald darauf gestorben sein.

Quelle: Dr. Hermann v. Tschiggfrey, Nauders am Reschen-Scheideck, Tirol, Innsbruck 1932, S. 48f.