Die wilde Musik

Es ist schon lange her, so an die achtzig Jahre. Der alte Schneiderbauer, der in der Plailo wohnte, hatte mehrere Töchter. Als sie an einem Winterabend alle beisammen in der Stube saßen, vernahmen sie eine schöne, liebliche Musik. Eine Tochter des Bauern war sehr neugierig und ging vor das Haus, um zu lauschen. Über ihr langes Ausbleiben beunruhigt, gingen die Eltern nachschauen; doch zu ihrem Schrecken fanden sie ihre Tochter nicht mehr, obwohl sie die ganze Nacht suchten. In der Früh ist dann die Tochter in Platzl drüben (ein Weiler von Leutasch) in einem Schuppen aufgewacht. Sie war halb erfroren und ist nie mehr recht gesund geworden. Diese Musik, die sich öfters hören ließ, hieß man "die wilde Musik". Sie wurde von weißen Geistern gemacht. Trafen diese Geister jemanden im Freien an und war er über einen Meter groß, so nahmen sie ihn mit. Legte er sich jedoch flach auf den Boden, so blieb er von den Geistern verschont.

Quelle: Sagen aus dem Leutaschtal, Matthias Reindl, in: tiroler Heimatblätter, 1938, Heft 11/12, S. 367.