Das Pestmandl

Als in der Gegend von Kitzbühel die Pest wütete und ein Menschenleben nach dem anderen dahinfegte, da lebte in Münichau ein alter Schloßwärter, der weit in der Welt herumgekommen war und auch in der Kunst der Medizin nicht schlecht bewandert war. Zu diesem gingen die Bürger der Stadt Kitzbühel und frugen ihm um ein Mittel, damit sie von der Pest befreit würden. Der Schloßwärter holte aus seiner Kammer ein dickes, handgeschriebenes Buch, schlug es auf und suchte. Nach einer Weile sagte er: "Fromm im Leben, mäßig im Speisen und mit Glut, welche aus Eichenholz gewonnen, darein man siebenerlei Krauter tue, räuchere man die Häuser. Tuet dies und die Pest wird eure Stadt verlassen." Das war der Rat des Schloßwärters von Münichau.

Die Bürger gingen befriedigt heim. Getreulich taten sie wie ihnen gesagt wurde. Sie sammelten Krauter, fällten Eichen und wollten Eichenglut gewinnen. Doch so sehr sie sich auch mühten, aus den grünen, neugefällten Eichen erhielten sie keine richtige Glut. Da sie kein dürres Eichenholz hatten und die Pest immer mehr um sich griff, verzweifelten sie schier. In dieser Not gingen sie wieder zum Schloßwärter von Münichau. Dieser versprach, ihnen ihre Häuser zu räuchern, was er in der nächsten Nacht auch vornahm. Wie er es anstellte, mit einer Pfanne Glut alle Häuser zu räuchern, darüber berichtet nichts. Die Pest verließ die Stadt Kitzbühel bald. Dem Münichauer Schloßwärter trug dies den Namen "Pestmandl" ein.

Quelle: Anton Schipflinger in: Tiroler Heimatblätter, 1947, Nr. 9/12, S. 170.
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler, Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).