Die Magd von Kaps

Auf der Burg Kaps lebte vor etlichen Jahrhunderten eine Magd, die im Rufe stand, mehr zu wissen als jeder andere Mensch. Von manchen sagte sie den Tod voraus und jedesmal traf er genau, wie vorausgesagt, ein. Die ganze engere und weitere Umgebung hatte Ehrfurcht vor dieser Magd und betrachtete sie scheu. Es fanden sich auch schlechte Mäuler, welche der Kapsburger Magd nachsagten, der Teufel sei mit ihr in Verbindung. Manche wollten ihn sogar gesehen haben, als er die Magd besuchte. Trotz dieser üblen Reden steigerte sich der gute Ruf der Magd. Der Burgherr war mit ihr zufrieden und konnten nichts Unrechtes beobachten.

An einem Sommertag verschwand die Magd spurlos. Niemand hatte sie gesehen, mit keinem Worte hatte sie sich verraten. Ganz bestürzt war man über diese Handlung. Lange hoffte man auf die Rückkehr. Sie kam nicht mehr.

Im nächsten Jahre kam im Frühjahr ein wandernder Sänger auf Kaps. Er hatte an den Burgherrn eine Botschaft auszurichten, die so lautete: "Eine Dirn sagte mir am Wege, ich soll dir sagen, du sollst graben im Burghof an drei Ecken."

Man schüttelte über diese Worte den Kopf. Schließlich schritt man doch zur Nachgrabung. Bei jedem Eck fand man eine schwere eiserne Truhe; jede Truhe beinhaltete etliche Schmuckstücke und eine Pergamentrolle, auf der die Worte standen: "Wenn gefunden und gelesen, die Pest am Wege ist."

Etliche Wochen darauf wütete in der Umgebung Kitzbühels die Pest. Kitzbühel blieb verschont von diesem großen Sterben.

Die Botschaft stammte von der ehemaligen Dienstmagd, die man später für ein wildes "Freil" hielt, wegen ihres sonderbaren Gehabens.

Quelle: Anton Schipflinger in: Kitzbühler Nachrichten 1939, Nr. 43, S. 6.
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler, Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).