Der verbannte Bauer

In alter Zeit hauste in Sölland ein reicher Bauer. Sein Stall war voll des schönsten Viehs, seine Tennen gefüllt mit Getreide, und dazu hatte er noch viel Geld. Wie es nun so ist, zum vielen Geld kommt der Geiz. Je reicher der Bauer wurde, desto geiziger wurde er.

Da kam an einem Herbstabend ein Kleinhäusler zu ihm und ersuchte ihn um einen kleinen Geldbetrag, denn er müsse jetzt etwas zahlen; das Geld würde er redlich zurückgeben.

Der reiche Bauer lachte und sagte: "Du bist mir zu schlecht. Geld leih' ich nur jenen, die besser sind als du."

Der Kleinhäusler hörte nicht auf zu bitten und zu betteln, doch der Bauer blieb hart.

Kaum hatte der Kleinhäusler des reichen Bauern Haus verlassen, als ein altes, runzeliges Weib kam. Der Bauer fragte sie, was sie wolle. "Geld und Vieh, Geld und Vieh!" antwortete sie. "Wer bist du?" fragte der Bauer. "Die Hex' von - -." Sie sprach den Ort nicht aus.

Nun fing der Bauer an zu jammern. Er erzählte der Hexe, daß er selber Hunger leiden müsse und oft gar keinen Groschen in der Tasche habe. "Wenn dies die Wahrheit ist", begann die Hexe, "dann kannst du bleiben auf diesem Hofe. Ist dies Lüge, dann wirst du auf den Wilden Kaiser gebannt." - Die Hexe sprach's und war verschwunden.

Jahre vergingen. Der Bauer war immer hartherzig. Keinen Kreuzer wollte er verschenken. Und als es zum Sterben wurde, wußte er, wohin er kommen würde. Er wollte alles gutmachen, aber es war zu spät.

Wenn man in den mondhellen Nächten auf den Kaiser schaute, sah man den Bauern, wie er einen Geldsack auf den Schultern trug und umherwanderte. Von wem und wann er erlöst wurde, berichtet die Sage nicht.

Quelle: Anton Schipflinger in: Kitzbühler Nachrichten, 1937, Nr. 25, S. 5.
aus: Sagen, Bräuche und Geschichten aus dem Brixental und seiner näheren Umgebung, gesammelt und niedergeschrieben vom Penningberger Volksliteraten Anton Schipflinger, zusammengestellt von Franz Traxler, Innsbruck 1995 (Schlern-Schriften Band 299).